„Madonna“ verklagt Paparazzo

Algerierin zieht gegen den preisgekrönten Fotografen Hocine vor Gericht. Der Journalist soll sie verleumdet haben. Regierungsnahe Kreise unterstützen die Klage  ■ Von Reiner Wandler

Madrid (taz) – Gegen den algerischen Fotografen der Nachrichtenagentur AFP, Hocine, wird seit Samstag wegen „Verleumdnung“ ermittelt. Angezeigt hat ihn ausgerechnet die Frau, deren Abbild den Fotografen weltweit bekannt machte: Oum Saad, die „Madonna von Benthala“.

Das Foto der weinenden Frau war wenige Stunden nach einem Massaker in Benthala, 15 Kilometer südöstlich von Algier, entstanden, bei dem in der Nacht zum 23. September 1997 über 200 Menschen ihr Leben verloren. Stundenlang hatten Terroristen mit Säbeln und Äxten gewütet, ohne daß Armee oder Polizei eingriffen. Am nächsten Morgen war das Dorf abgeriegelt. Hocine machte sich auf den Weg in das Krankenhaus Zmirli in Algier. Unter den dort wartenden Angehörigen der Opfer befand sich auch Oum Saad. Hocine sah die verzweifelte Frau und drückte auf den Auslöser.

Kaum war das Foto veröffentlicht, begann eine Kampagne gegen Hocine und AFP. Das algerische Informationsministerium entzog einem der Redakteure der Agentur die Akkreditierung. Die Zeitung Horizons schrieb, die Aufnahme sei gestellt, die Frau bezahlt. Die Abgebildete hätte überhaupt keine Kinder beim Massaker verloren, wie AFP vermeldete. Horizons verschwieg: Oum Saad beweinte Bruder, Schwägerin, Nichten und Neffen.

Hocine belegte mit seiner Aufnahme am 13. Februar den ersten Platz bei der Wahl des World Press Foto. Die 15.000 Mark Preisgeld stiftete er einer algerischen Kinderhilfsorganisation.

Auch im jetzigen Verfahren mischt Horizons mit. Der Anwalt des Staatsblattes vertritt Oum Saad bei ihrer Klage gegen Hocine. Der Bürochef von AFP in Algier, Alain Bommenel, möchte zu der Anschuldigung keine Stellung beziehen, denn: „Das wäre nach algerischen Recht ein Eingriff in ein laufendes Verfahren, und damit strafbar.“ Hocine ist für eine Reportage in die Unruheregion Kabylei gefahren.