Sterbehilfe bedingt zulässig

■ Frankfurter Oberlandesgericht hält den Abbruch von lebensrettenden Maßnahmen bei Komapatienten unter bestimmten Voraussetzungen für möglich. Geklagt hatte eine Angehörige

Berlin (taz) – Ärzte dürfen nach einem Urteil des Oberlandesgerichts in Frankfurt am Main lebensnotwendige Maßnahmen bei Komapatienten abbrechen, wenn „dies dem mutmaßlichem Willen“ des Erkrankten entspricht und ein selbstbewußtes Leben nicht mehr zu erwarten ist.

Damit hat ein bundesdeutsches Gericht zum erstenmal ärztliche „Sterbehilfe durch Unterlassung“ für zulässig erklärt. Der Behandlungsabbruch muß nach dem gestern veröffentlichem Urteil (Az: 20 W 224/98) von einem Vormundschaftsgericht genehmigt werden. Bei dem vor dem Oberlandesgericht verhandelten Verfahren geht es um eine 85jährige Frau, die seit Ende vergangenen Jahres im Frankfurter Nordwestkrankenhaus im Koma liegt. Da die Ärzte davon ausgehen, daß sich der Zustand der Patientin nicht bessern werde, hatte die als Betreuerin eingesetzte Tochter verlangt, die künstliche Ernährung einzustellen. Ihre Mutter habe, so gab die Tochter an, wiederholt ihr gegenüber geäußert, daß sie kein „langes Sterben“ erdulden wolle. Eine schriftliche Willensbekundung lag nicht vor.

Sowohl das Frankfurter Amtsgericht als auch das Landesgericht hatten zuvor den Antrag der Tochter abgelehnt, die Mutter sterben zu lassen. Sie verwiesen auf die vorhandenen Gesetze, die es grundsätzlich nicht zuließen, die lebensnotwendige Versorgung abzubrechen. Das Oberlandesgericht hob diese Urteile jetzt auf. Der Fall wurde an das Vormundschaftsgericht zurückverwiesen. Es soll jetzt den „mutmaßlichen Willen“ der Komapatientin ausfindig machen. Kommt das Gericht zu der Entscheidung, daß die 85jährige Patientin einen Behandlungsabbruch wünschen würde, muß das Vormundschaftsgericht dem Antrag der Tochter stattgeben. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts werden Patientenverfügungen zukünftig einen ausschlaggebenden Einfluß auf die ärztlichen Entscheidungen haben.

Das Oberlandesgericht liegt damit auf der Linie der Bundesärztekammer. Dort wird seit längerem schon eine Neufassung der Sterberichtlinie diskutiert. Der unter anderem von der Deutschen Hospiz Stiftung kritisierte Entwurf, sieht ebenfalls vor, daß lebensnotwendige Behandlungen bei nicht einwilligungsfähigen Patienten abgebrochen werden dürfen, wenn das ihrem mutmaßlichem Willen entspricht. Wolfgang Löhr