Türken sollen lehren lernen

Nur 46 der 6.000 türkischen Betriebe in Berlin bilden Lehrlinge aus  ■ Von Sabine am Orde

„Leicht war das nicht“, sagt Ayla Yilmaz und strahlt. „Aber es hat sich gelohnt: Jetzt bin ich Ausbilderin.“ Zweimal in der Woche ist die Volkswirtin, die ein Buchhaltungsbüro am Kottbusser Damm betreibt, in den vergangenen vier Monaten nachmittags um 17 Uhr von Kreuzberg nach Steglitz gefahren, um dort vier Stunden lang die Schulbank zu drücken. Wochenendseminare kamen hinzu, insgesamt 150 Stunden hat Yilmaz rechtliche, pädagogische und organisatorische Grundlagen von Berufsausbildungen gebüffelt. Vor wenigen Tagen hat sie es geschafft: Die 39jährige Unternehmerin hat sich in einer Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer (IHK) als Ausbilderin qualifiziert. Im September wird die erste Auszubildende in ihrem Büro anfangen.

Zuvor, so Yilmaz, hätten häufig türkische Jugendliche nach einer Lehrstelle in ihrem Büro gefragt. „Es gibt so viele, die keine Stelle finden“, sagt sie. „Da war es mir peinlich, sagen zu müssen, ich kann das nicht.“ Aber ganz selbstlos ist die Unternehmerin nicht. „Nach drei Jahren werde ich eine rechte Hand haben“, hofft sie.

Yilmaz ist eine von insgesamt 15 TeilnehmerInnen eines Lehrgangs, den die SPI-Servicegesellschaft gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Arbeit, der IHK und zwei türkischen Unternehmensverbänden im April erstmals begonnen hat. „Eigentlich sollten es 40 Teilnehmer sein“, sagt Bahattin Kaya, Vorstandsmitglied der Türkisch-Deutschen Unternehmervereinigung (TDU), „aber wir haben nicht genug Interessierte gefunden.“ Zehn TeilnehmerInnen haben den Kurs abgebrochen. Im Herbst ist ein zweiter Durchgang geplant. Der Lehrgang soll türkische UnternehmerInnen dafür qualifizieren, Ausbildungsplätze in ihren Betrieben anzubieten.

Das tun sie bislang viel seltener als ihre deutschen KollegInnen. Nach Angaben der TDU gibt es in Berlin etwa 6.000 Betriebe mit türkischstämmigen InhaberInnen. 500 von ihnen könnten bereits ausbilden, schätzt Kaya. Aber nur 46 tun es. Insgesamt werden 96 Jugendliche dort ausgebildet.

Der Lehrgang setzt da an, wo viele eine Hauptursache der fehlenden türkischen Ausbildungsbegeisterung vermuten: Es fehlen die formalen Voraussetzungen. Entweder besitzt im Betrieb also niemand eine Ausbilder-, oder – im Falle eines Handwerksbetriebs – eine Meisterprüfung. Oder das Unternehmen kann nicht alle Bereiche abdecken, die ein Jugendlicher während seiner Ausbildung durchlaufen muß. Auch hier will das Seminar Abhilfe schaffen. „Die Teilnehmer wollen einen Ausbildungsverbund gründen“, sagt SPI-Projektkoordinator Rainer Rodewald, also Ausbildung gemeinsam organisieren. So sollen bald 15 neue Ausbildungsplätze entstehen.

Öner Birant arbeitet im Neuköllner Ausbildungsbüro, das als Teil des dortigen territorialen Beschäftigungspakts vor sechs Wochen die Arbeit aufgenommen hat. Der türkischstämmige Projektkoordinator widmet sich vor allem ausländischen Betrieben. Seiner Ansicht nach ist zentral, daß den meisten türkischen UnternehmerInnen die eigene Erfahrung mit dem deutschen Ausbildungssystem fehlt. „Viele von ihnen sind als Gastarbeiter hierhergekommen und haben sich irgendwann wegen der schwierigen Lage auf dem Arbeitsmarkt selbständig gemacht.“ Viele Betriebe seien außerdem Familienunternehmen, ergänzt IHK-Mitarbeiter Hans Platte, in denen der Nachwuchs alles Notwendige während der Arbeit lernt.

Alle Berater sind sich einig, daß es bei den türkischen UnternehmerInnen eine große Hemmschwelle gibt, mit Organisationen wie der IHK oder der Senatsverwaltung in Kontakt zu treten. Die IHK bildet deshalb gerade fünf zweisprachige MitarbeiterInnen aus, die ab September Ausbildungsplätze in ausländischen Betrieben werben sollen.

Projektkoordinator Birant glaubt, daß man außerdem finanzielle Anreize stärker betonen muß. „Es gibt ja Förderprogramme, viele wissen von denen aber nichts.“ Wichtig sei auch die Unterstützung bei der formalen Abwicklung eines Ausbildungsplatzes. Genau das will das Ausbildungsbüro tun.