„Kohl hat alle weggebissen“

■ Michael Naumann, Schröders designierter Kulturbeauftragter, bekennt sich als 68er – und lobt die Intellektuellen in der CDU, die Opfer des Kanzlers

taz: Wie frei werden Sie als Schröders Mann für Kultur sein?

Michael Naumann: Hätte ich nicht das Gefühl gehabt, daß Gerhard Schröder anders als Helmut Kohl in der Lage ist, zu delegieren und andere sich entfalten zu lassen, dann hätte ich das nicht gemacht. Für mich ist die Voraussetzung, daß ich nicht der Generalsekretär für die kulturellen Neigungen meines Dienstherren bin, sondern daß ich mich mit meinen Ideen selber einbringen kann.

Werden unter Schröder erstmals wieder die Intellektuellen an der Macht beteiligt?

Ach, das ist ein bißchen unfair. Auch in der Regierungspartei gibt es eine Menge hochinteressante Intellektuelle. Einige sind es an allerhöchster Stelle. Ich denke an Biedenkopf. Biedenkopf ist zweifellos einer der klügsten Köpfe im Lande, und auf eine sehr praktische, verschmitzte Weise ist es auch Lothar Späth. Allerdings muß man sagen: Diejenigen, die diesen Titel für sich in Anspruch nehmen, hat er alle weggebissen, bis nach Jena, bis nach Leipzig – und jetzt steht er da.

Selbst im Fall eines SPD-Wahlsiegs hätten Sie kein eigenes Ministerium. Was könnten Sie machen?

Kulturpolitik auf Bundesebene bedeutet vor allem die Bündelung von Etats, die über viele andere Ministerien verstreut sind. Das wird sehr schwer fallen, weil der Possessivcharakter von solchen Etatbeherrschern in den diversen Ministerien außerordentlich ausgeprägt ist.

Die Summe, die in Deutschland zur Kulturförderung zur Verfügung steht, liegt in der Höhe von ein bis zwei Milliarden Mark, niemand weiß das so genau. Dieses mal zu klären und die diversen Haushaltsherren an einen Tisch zu bringen, ist eine meiner wesentlichen Aufgaben.

Stimmt es eigentlich, daß Sie 68er waren?

Ja, ja, ich war [Studenten-]Parlamentspräsident während der bewegten Jahre an der Universität München. Ich war SRB-Mitglied, wir haben dann mit dem SDS fusioniert, alles weitere ist Geschichte, nostalgische, wunderbare Erlebnisse. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie schön es war, mit Amon Düül die Universität zu besetzen. Kennt noch irgendeiner Amon Düül? Eine der ganz großen Rockbands!

Wie paßt dazu, daß Sie als erstes konkretes Projekt ein Stauffenberg-Stipendium für junge Leutnants aus Marine, Heer und Luftwaffe ausloben wollen?

Die Geschichte des Widerstandes in Deutschland ist über Jahre hinaus von einer urkonservativen Bundeswehr in die Ecke geschoben worden. Ich kann mich noch an Debatten als Student mit jungen Offizieren erinnern, die die Widerstandskämpfer für Verräter hielten. Es dauerte Jahre, bis es eine Stauffenberg-Kaserne gab. Ich halte das für eines der ganz großen legitimatorischen Defizite und Versäumnisse der Nachkriegsjahre. Das hat sich inwischen geändert, aber doch nur in Maßen.

Geht es Ihnen darum, zu Themen, die in Deutschland traditionell rechts besetzt waren, einen linken Zugang zu finden?

Ach wissen Sie, ich bin jetzt 56 Jahre alt. Links und rechts, das sind die Reizworte der Vergangenheit. Interview: Patrik Schwarz