Eine bewährte Fachfrau

■ Unbeeindruckt von Hausse und Baisse: Seit 15 Jahren fertigt Kathy Mattea geschickt ausbalancierten Country

Willie Morgan spielt in seiner wöchentlichen Radio-Show Red, Hot And Country nur selten ältere Aufnahmen. Doch für die Quintessenz des Genres macht der englische DJ gern eine Ausnahme. Für Kathy Mattea beispielsweise. Denn die, so Morgan, sei heute „noch genauso relevant wie schon immer“. Da hat der Mann von der Insel nicht ganz unrecht.

Auch das Country-Geschäft – über Jahrzehnte eine Bastion loyal ertragener Lebenskarrieren – ist ja schnellebig geworden, seit im Gefolge des Booms Anfang der 90er Jahre in die Höhe schnellende Umsätze bewegt werden wollen. Die Marketing-Maschinerie in Nashville hat sich immer stärker den Gesetzen des Pop-Marktes angepaßt: Hoffnungsfrohe Newcomer stehen im Dutzend Schlange und verschwinden oft nach maximal zwei Alben wieder in der Versenkung, aus der sie plötzlich emporgeschossen waren.

Kathy Mattea indes, die ihre Karriere in einer Bluegrass-Band startete und in Nashville zunächst als Touristenführerin in der „Country Music Hall Of Fame“ arbeitete, konnte den Hype ebenso überleben wie die unvermeidlich folgende Baisse. In nunmehr 15 Jahren hat die Interpretin aus Cross Lanes in Virginia fast ebenso viele Alben veröffentlicht. Und das tatsächlich immer bei derselben Plattenfirma!

Zum großen Star ist Mattea dabei nie avanciert. Dafür gibt es wenig, dessen sie sich in künstlerischer Hinsicht schämen müßte. Nur über ihr selbstbetiteltes Debüt breitet sie heute selbst gnädig den Mantel des Schweigens. Erst unter der Ägide von Produzent Allen Reynolds, der später einen Garth Brooks in den Sattel hob, fand Mattea auf Alben wie Walk The Way The Wind Blows und Untasted Honey zu einem eigenständigen Sound, der Roots- und Popelemente geschickt ausbalancierte. Nebenbei sang sie Songs der Texanerin Nanci Griffith („Love At The Five And Dime“) in die Country-Charts. Später überraschte Kathy Mattea ohne Rücksicht auf Verluste mit dem programmatisch betitelten Lonesome Standard Time. Nun gastiert Kathy Mattea, meines Wissens zum ersten Mal, in Hamburg – im Tour-Gepäck ein Album, das zwar schon aus dem letzten Jahr datiert, aber wieder mal kein Verfallsdatum kennt. Mit souveränem Understatement, mal hymnisch frohlockend, mal leicht pastoral, singt sie auf Love Travels u.a. Songs bewährter Fachkräfte wie Gillian Welch und Jim Lauderdale nach Hause. Jörg Feyer mit Jill Morris: Mi, 29. Juli, 20 Uhr, Große Freiheit 36