Das bißchen Selbstmord

■ Eine Libanesin nahm Tabletten und sollte trotzdem abgeschoben werden

Wenn Jamal E. in den Libanon abgeschoben wird, nimmt die Schwiegerfamilie ihr als erstes die Kinder ab. Ihr Mann hat sich von ihr getrennt, und der Nachwuchs gehört nach islamischem Recht zur Vaterseite. Aus Verzweiflung darüber nahm die 35jährige Mutter von vier Kindern im Mai Tabletten und kam nur knapp mit dem Leben davon. Die Ausländerbehörde hatte sich geweigert, die ärztlichen Attests anzuerkennen oder einen Amtsarzt hinzuzuziehen.

Trotz des Suizidversuchs, der Intervention der GAL und der Zusicherung des Innenbehörden-Staatsrats Wolfgang Prill, das Gesundheitsamt einzuschalten, wurde Jamal E. Anfang dieser Woche erneut mit Abschiebung bedroht. Sie solle vier Paßbilder für die Reisepapiere mitbringen. Wie das kommt, kann Norbert Smekal, Sprecher der Ausländerbehörde, auch nicht nachvollziehen. „Klar ist natürlich, daß in diesem Fall der Amtsarzt eingeschaltet wird“, versicherte er gestern der taz.

Die Beratungsstelle „fluchtpunkt“ will trotzdem nicht untätig bleiben und einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht einreichen, um das Hinzuziehen des Gesundheitsamtes zu erzwingen. „Wenn das dann doch wieder nicht bis zum Sachbearbeiter vordringt, ist es womöglich zu spät“, so Beraterin Anne Harms. Nach ihren Beobachtungen werden seit Anfang des Jahres immer öfter Atteste psychisch Kranker nicht als Abschiebehindernis akzeptiert. „Die Sachbearbeiter sollten darauf verzichten, Drohungen auszustoßen“, fordert Harms. Was das bei psychisch labilen Menschen anrichte, „sieht man ja bei Jamal“.

Die GAL will sich nun die SPD-geführte Innenbehörde noch einmal vorknöpfen. Bei psychisch Kranken vor der Abschiebung das Gesundheitsamt hinzuzuziehen, müsse eine Selbstverständlichkeit sein, so Susanne Uhl, flüchtlingspolitische Sprecherin der GAL. „Es muß schriftlich sichergestellt werden, daß grundsätzlich der Amtsarzt eingeschaltet wird“, fordert die Grüne. Über eine entsprechende Weisung soll nun verhandelt werden. Silke Mertins