Videoaugen jagen Raser

■ Drängeln, Rechtsüberholen, Rasen: Auf Autobahnen und Landstraßen geht es oft sehr ruppig zu. Wer sündigt, gerät vielleicht ins Visier der Fahnder von der linken Spur

Wenn sie ihren roten Opel Omega auf 220 beschleunigen, sehen die Männer mit verspiegelten Sonnenbrillen und Dreitagebärten aus wie Lümmels von der linken Spur. Aber Stefan Meier und Thomas Wilhelms sind Polizisten. Ihr Auftrag: auf Autobahnen und Landstraßen Raser, Drängler und Rechtsüberholer jagen.

Der schwarze BMW fliegt auf der linken Spur heran und fährt fast auf die Stoßstange des auf 210 PS hochgetunten Omegas auf. „Bald kann ich die Farbe ihrer Augen erkennen“, sagt Stefan Meier. Was der Polizist in seinem Rückspiegel sieht, entgeht auch der Video-Kamera im Heck des Wagens nicht. Die Raserin auf der Autobahn 29 Richtung Oldenburg ist ins Visier des sogenannten Police-Pilot-Systems geraten. Mit Kameras vorne und hinten im Auto werden Verkehrssünder gefilmt, die Bilder gespeichert.

Zum System gehört ein Zeit-Entfernungsmesser. Die Polizisten verfolgen einen grünen Audi. In einem Brückenschatten drückt Beifahrer Wilhelms einen Knopf. Die Maschine mißt 800 Meter aus, stoppt die Zeit und ermittelt so auf den Meter genau die Geschwindigkeit. 121 bei Tempolimit 100 auf der Autobahn bei Oldenburg – gerade noch tolerabel.

Am späten Vormittag ist zu viel Verkehr, um wirklich schnell zu fahren. Die Polizisten schwimmen mit leicht überhöhtem Tempo im Verkehr mit, ohne ihr Video-System anzuwerfen. „Aber bei der Nachtschicht ist es hier bestimmt spaßig“, meint Meier. Sie hängen sich an einer holländischen LKW. „Die fahren gerne am Limit“, weiß Polizeimeister Meier. Die Messung ergibt knapp 100 statt der erlaubten 80. „Die Holländer haben immer einen Haufen Bargeld dabei und zahlen Bußgelder sofort.“

Ein bißchen Ehrgeiz, die Raser auch zu stellen und das Schild „Polizei: Bitte folgen“ aus aus der Hutablage zu heben, geben die beiden gerne zu. So wie bei dem aufge-mozten Ford Escort, der sich partout nicht von einem Opel Omega überholen lassen wollte und mit 170 über die Landstraße bretterte. „Aber“, lacht Wilhelms, „mit diesem Auto fährt uns keiner weg.“

Dabei sind die beiden keine Jangos, trotz der Pistole am Gürtel. „Ich würde niemanden verfolgen, wenn ich mein Leben oder das anderer gefährde“, sagt Stefan Meier. Genau wie seine Kollegen in den anderen Video-Autos hat er eine zehntägige Schulung inklusive Fahrtraining hinter sich, um den Police-Pilot bedienen zu dürfen.

„Wir wollen nur die echten Raser haben“, sagt Polizeiobermeister Wilhelms. Erst wenn etwa das Tempolimit 100 um 26 Kilometer pro Stunde überschritten werde, gebe es eine Anzeige, bei kleineren Verstößen bleibe es bei Geldbußen. „Aber wir steigen natürlich auch für 75 Mark aus“, sagt Wilhelms. Wie teuer ein Vergehen ist, zeigt der Blick auf die Bußgeld-Tabelle.

An diesem Morgen bleibt ein Raser in einer Wesermarscher Ortschaft einziger Kandidat für eine Anzeige: Der Mann wurde mit 78 km/h gestoppt. Er suchte sowenig nach Ausreden wie die meisten anderen Ertappten. „Wenn wir die Leute stoppen, und die das Video sehen, geben sie den Verstoß meistens zu“, sagt Polizeimeister Meier. Die Bilder sind auch wertvolles Beweismittel vor Gericht.

Nicht nur auf der Autobahn sind die geeichten Video-Augen unbestechlich. Bei einem Abstecher nach Oldenburg hinein fährt ein Fiesta über einen Zebrastreifen, an dem ein Mädchen die Straße überqueren will. „Das kostet 120 Mark und gibt drei Punkte.“ Aber das nochmalige Studium der Aufnahme zeigt: Das Kind schlenderte erst an den Überweg heran. Der Autofahrer kommt noch einmal davon, Absicht ist nicht nachzuweisen.

Für andere Autofahrer in Weser-Ems war dieser Mittwoch teurer. Pünktlich zum Ferienbeginn in Niedersachsen hat die Autobahnpolizei bei einem Aktionstag „Aggressionsdelikte“ im Verkehr besonders verfolgt. Allein im Regierungsbezirk Weser-Ems waren neben Meier und Wilhelms aus Nordenham noch sieben andere Video-Fahrzeuge unterwegs. Bis zum Mittag konnten die Beamten der koordinierenden Autobahnpolizei Delmenhorst 26 Delikte feststellen. Ein Wagen wurde mit Tempo 128 im Baustellenbereich auf der A 1 bei Delmenhorst verfolgt und gefilmt.

Die erwischten Autofahrer müssen mit Anzeigen oder Bußgeldern rechnen. Doch es kann für die Sünder auch schlimmer kommen: Im Vorjahr gab es nach Polizeiangaben in Niedersachsen 3.378 Fahrverbote wegen schwerwiegender Geschwindigkeits- und Überholverstöße. Joachim Fahrun