■ Nur ein Autonomiestatus des Kosovo hat Realisierungschancen
: Staatlichkeit statt Unabhängigkeit

Auch wenn Gerechtigkeitsgründe für eine unabhängige Republik Kosovo sprechen mögen – nur ein Autonomiestatus innerhalb der Bundesrepublik Jugoslawien hat Realisierungschancen. Die Kriegsberichte aus dem Kosovo sollten nicht darüber hinwegtäuschen, daß die militärische Kräftekonstellation eine gewaltsame Herstellung der Unabhängigkeit ausschließt: Der Kosovo- Befreiungsarmee UCK fehlen schwere Waffen, um die Stützpunkte der jugoslawischen Armee und Polizei erobern zu können. Die jugoslawische Armee ist militärisch überlegen, verzichtet jedoch aus wohlüberlegten Gründen auf eine Eskalation. Ein großflächiger Angriff gegen das von der UCK gehaltene Gebiet im Zentrum des Kosovo würde einen wesentlich größeren Flüchtlingsstrom auslösen und womöglich die kritische Schwelle überschreiten, die die Nato zum militärischen Eingreifen nötigt.

Die internationale Kontaktgruppe hat bisher aufgrund russischer Widerstände nach der Logik des kleinsten gemeinsamen Nenners gehandelt; folglich wird sie sich auch bei einer weiteren Eskalation nicht zur Unterstützung kosovo-albanischer Unabhängigkeitsaspirationen durchringen. Wenn es jedoch darum geht, ein Überschwappen der Kämpfe nach Albanien oder Makedonien zu verhindern, ist der internationale Konsens wesentlich breiter. Die wirksame Konflikteindämmung gehörte zu den wenigen Erfolgen des internationalen Krisenmanagements in Bosnien. Im Kosovo besteht die Eindämmungsstrategie darin, die Grenzen zu kontrollieren und die albanischen Politiker in beiden Nachbarländern zur Mäßigung anzuhalten.

Neben den militärischen sprechen auch politische Argumente für einen innerjugoslawischen Autonomiestatus. Wie in einem Mobile stabilisiert die territoriale Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien die fragilen Staatsgebilde von Bosnien-Herzegowina und Makedonien. Die Anerkennung eines unabhängigen Kosovo würde bosnischen Serben, bosnischen Kroaten und makedonischen Albanern demonstrieren, daß gewaltsame Sezessionsversuche belohnt werden. Und sie würde das (unter Gerechtigkeitsaspekten durchaus fragwürdige) Leitprinzip der internationalen Jugoslawienpolitik aufgeben, wonach nur die Republiken des ehemaligen Jugoslawien ein Selbstbestimmungsrecht haben. Ein unabhängiger, ethnisch begründeter Nationalstaat der Kosovo-Albaner wäre überdies ein denkbar schlechter Ansatz, um die anderen Minderheitenkonflikte in Jugoslawien zu lösen. Die Sandžak-Muslime und Vojvodina-Ungarn müßten mit einem ethnischen Homogenisierungsschub rechnen, zumal sich auch Montenegro unter diesen Umständen von Serbien lösen würde.

Selbstverständlich kann ein Autonomiemodell für den Kosovo nicht bruchlos an die Autonomieregelung der jugoslawischen Bundesverfassung von 1974 oder gar an die Pseudo-Autonomie der serbischen Verfassung von 1990 anknüpfen. Heute ist nur noch ein Modell möglich, das die serbische Souveränität über den Kosovo beendet und den Kosovo-Albanern eine Form der Staatlichkeit zugesteht. Der Kosovo sollte deshalb neben Serbien und Montenegro zur dritten Teilrepublik Jugoslawiens werden und an allen Entscheidungen auf der Bundesebene gleichberechtigt teilhaben. Diese Konstruktion benötigt Elemente eines internationalen Protektorats, denn die internationale Gemeinschaft muß die Kosovo-Albaner vor einer erneuten Aufhebung ihrer Rechte durch Serbien schützen und Serbien den Bestand der Bundesrepublik Jugoslawien zusichern – nicht mehr und nicht weniger. Martin Brusis