Kommentar
: NS-Vergangenheit in die Nische

■ Mit einer SPD-Regierung gibt es kein Holocaust-Denkmal

Es wäre schon absurd, wenn jetzt das geplante Holocaust-Denkmal ausgerechnet an der SPD scheitern würde. Daß Michael Naumann, Schröders neuer Kulturbeauftragter, sich auf ein kategorisches Nein festgelegt hat, könnte man noch als persönliche Meinung abtun – es wird nicht zu Naumanns Kompetenzen gehören, über den Bau zu entscheiden. Doch seit sein Chef und möglicher Kanzler beifällig genickt hat, sind die Ansichten des Kulturbeauftragten plötzlich zum SPD-Regierungsprogramm geadelt worden.

Zwei zentrale Einwände erhebt der Verleger mit 68er-Vergangenheit gegen die Pläne. Zum einen sei das Bauwerk zu monumental angelegt, zum anderen sei es unangemessen, an den Horror des Holocausts mit einem eleganten, ästhetisch befriedigenden Denkmal zu erinnern. Für die wahren Gedenkstätten hält Naumann die ehemaligen Konzentrationslager.

Nun kann man Naumann vorwerfen, wie es der SPD-Abgeordnete Conradi tut, daß er sein Urteil abgab, ohne den neuen, verkleinerten Entwurf von Peter Eisenman gesehen zu haben. Man kann kritisieren, daß Naumann in einem sprachlichen Ausrutscher dem Projekt etwas „Albert- Speer-haft Monumentales“ unterstellte. Berechtigt ist auch der Hinweis, daß es beim Verhältnis von Mahnmal zu Gedenkstätten um ein Sowohl-Als-auch statt um ein Entweder-Oder geht. Entscheidend ist jedoch, daß Naumann just das Bemühen abwürgt, dem sich Intellektuelle wie er einst verschrieben hatten: dem Gedenken an den Holocaust einen zentralen Platz in Deutschland zu sichern.

Jahrelang haben gerade linke Intellektuelle diesem Staat vorgeworfen, er drücke sich vor dem Bekenntnis zur Nazi- Vergangenheit. Immer wieder lenkten sie den Blick auf die allseitige Verleugnung der Verbrechen des Dritten Reiches, von den absichtsvoll-arglosen Schulbüchern der 60er Jahre bis zum weichgezeichneten Bild von der ehrenwerten Wehrmacht in den 90ern. Nicht zuletzt dank dieses Engagements hat sich die bundesrepublikanische Gesellschaft gewandelt. Der Revisionismus früherer Jahre hat dem Wunsch Platz gemacht, die Erinnerung an die NS- Vergangenheit und die damit verbundene Schuld nicht länger zu verdrängen. Sichtbarster Ausdruck davon wäre ein Mahnmal im Zentrum Berlins. Wenn Naumann und Schröder das verhindern, dann schieben sie das Gedenken wieder in die Nische ab. Patrik Schwarz