„Eine Prozession im alten Sinne“

■ Schon wieder eine Parade: Bei der „art parade“ in der Nacht von Samstag auf Sonntag treten Studenten der Hochschule der Künste eine „Reise durch den öffentlichen Raum“ an

Morgen nacht sollten die Bewohner von Prenzlauer Berg und Mitte sich Zeit lassen mit dem Schlafengehen. Denn um Mitternacht werden an die vierzig Personen eine „Reise durch den öffentlichen Raum“ antreten. Unter dem Motto „Von der Metamorphose des Alltäglichen zur Kunstaktion“ wird eine von Lichtspielen und akustischen Instrumenten begleitete Prozession vom Prater über den kleinen Wasserspeicher zum Tacheles ziehen. Ziel des Umzugs ist die Verbindung verschiedener Kulturorte in den Stadtteilen Prenzlauer Berg und Mitte. Dazu gehören unter anderem die Kunsthäuser Kastanienallee 77 und „Kule“ in der Auguststraße 10.

Die zweistündige „art parade“ wird in Form einer wandernden Bildertheateraktion mit sich ständig verändernden Figuren, Objekten und ortsbezogenen Elementen vor sich gehen. An acht „Stationen des Lebens“ sollen Aktionen stattfinden, die Elemente, Szenen und Figuren aus früheren Veranstaltungen der Künstlergruppe aufgreifen – aus dem Jahrmarktsspektakel „Prater Unser“, das im letzten Sommer im Berliner Prater stattfand, aus dem Bilder- und Theaterstück „El paseo de Buster Keaton“, das im Juni im Tacheles aufgeführt wurde, und aus der ebenfalls im Juni im kleinen Wasserspeicher gezeigten Performance „Sin contacto humano“ der venezolanischen Künstlerin Merysol León.

Organisiert wird der Umzug von der Werkstatt Spiel und Bühne der Fakultät Bildende Kunst an der Hochschule der Künste Berlin (HdK) und der Gruppe „art parade“, einem lockeren Verbund freier Künstler aus verschiedenen Ländern.

David Reuter, Leiter der Werkstatt Spiel und Bühne, betont den ironischen Charakter der Aktion: „Die ,art parade‘ ist eine Persiflage auf Massenumzüge wie die Love Parade oder den CSD.“ Die kleine, leise Aktion verstehe sich als Prozession im alten Sinne und soll sich deutlich von diesen Großveranstaltungen abgrenzen.

Im Rahmen des Umzugs wird ein Bilder- und Objekttheater stattfinden, in dem den Elementen Licht, Raum, Objekt, Bühnenbild die gleiche szenische Aufmerksamkeit zukommt wie der Musik, den Klängen und den Bewegungen. So ist vor der „Kule“ in der Auguststraße eine Aktion gegen die Kommerzialisierung der Kunst geplant. Kaufhausmusik soll aus Ghettoblastern strömen, eine goldene Rucksackpuppe das Kapitalistenmonster darstellen, und goldene Linsenmasken sollen einen neuen Blick auf die Kunst gewährleisten. Im Teuteburger Park soll eine Steinskulptur thematisiert werden. Sie zeigt ein Mädchen und einen Frosch. Die dort stattfindende Performance wird Bezug auf das Märchen vom Froschkönig nehmen, der Umzug soll sich grün färben. Mitwirkende der Prozession sind StudentInnen und DozentInnen der HdK sowie verschiedene Schauspieler- und KünstlerInnengruppen. Sie starten am Samstag um Mitternacht am Prater und werden am Sonntag mittag in entgegengesetzter Richtung vom Tacheles aus zurückziehen. Interessierte Zuschauer sind dazu aufgerufen, Regenschirme in den Farben Rot, Schwarz und Weiß mitzubringen.

Wer aktiv an der „art parade“ teilnehmen möchte, kann heute um 18 Uhr in den Pratergarten kommen. Dort findet eine Art Generalprobe statt. Für Utensilien, Masken und Kostüme muß allerdings jeder selbst sorgen. Vanessa Erhard