Elefanten im Paul-Celan-Laden (1) Von Wiglaf Droste

„Im Tratschteil der Woche gibt es regelmäßig einen Fragebogen. Der Kandidat wird unter anderem gefragt: ,Wie würden Sie einem Blinden Ihr Äußeres beschreiben?‘ Eine Antwort könnte lauten: ,In der Syntax streift die gegenwärtige Zeit mit einem kurzen Knirschen die Zeitlosigkeit des gegenwärtigen Diskurses. Es scheint daher keinen Widerstand zu geben beim Sprung von einer Zeitscholle zur nächsten.‘ Die Antwort des Blinden wäre: ,Dann müssen Sie Klaus Hartung sein‘“ (aus: Eike Geisel, „Triumph des guten Willens“)

Der natürliche Feind der Sprache ist der Journalist. Anders gesagt: Wo Familie Lall & Quall hinschreibt, läuft Paul Celan die schwarze Milch über. Was diese Leute für Wörter können: „Bertis Buben“ schreiben sie, millionenmal „Bertis Buben“, immer wieder, stumpf bis zur letzten Sekunde: „Bertis Buben“, und sie kommen sich noch kritisch dabei vor oder sogar komisch.

Sind sie älter geworden und haben es in einem der größeren Gemeindebriefe des Landes zum Rang des Oberbauchredners gebracht, sprechen sie auch gern einmal von sich. Natürlich nicht einfach so, sondern schon etwas bedeutsamer: Unter „Ich persönlich“ tun sie's nicht, denn wo kein Ich ist, muß es wenigstens persönlich sein. Gern angewandt wird auch die Methode Biolek: Der kopfmäßige Brei wird auf Stelzen serviert. Anstatt also beispielsweise zu sagen, „Ich esse gerne Wurstbrot“, heißt es dann: „Ich persönlich bin ja ein Mensch, der gerne Wurstbrote...“ undsoweiter, damit dann gar nichts mehr stimmt, am allerwenigsten das mit dem „Menschen“.

Sind die Schwatzköpfe noch etwas jünger und fühlen sich also fetziger, können sie auch Sachen sagen wie „Event“ oder „Location“; das Zeug hat den Vorteil, daß es sich bewußtlos von selbst wegbrabbelt, seinem Sprecher aber das wohltuende Gefühl vermittelt, besonders wichtig aufzutreten, während es dem mit Sicherheit unfreiwilligen Zuhörer die Identifizierung des Gegenübers erleichtert: Er weiß, daß er einen vom Stamm der Sabbler vor sich hat, und kann sich hilfesuchend ans Personal wenden: „Kellner, zwei frische Ohren bitte, die alten sind voll.“

Sehr geübt im Ausgießen von Stanzen sind auch junge Menschen, die sich moderner Musik verschrieben haben und so ziemlich alles „phatt“ finden, beziehungsweise „voll phatt“ oder auch ein „phattes Brett“, das notorische „Ey Allter isch sag dir ey“ dabei ebenso im Gepäck wie die entsprechende Jungmänner-Gestik, die sagen will: Ich habe zwar von nichts eine Ahnung, aber das stochere ich mit den Fingern in euch hinein.

Bei diesen Grenzdebilen direkt ums Eck lugt der Kieler Salontürke Feridun Zaimoglu, dessen „Kanak-Sprak“, wie er sein sprachliches Kurzwarenangebot getauft hat, das Bedürfnis des Kulturbetriebs nach Exotik vollkommen widerstandslos befriedigt. Als Malcolm XY ungelöst tingelt er durchs Land, euphemisiert sich als „alipoet“, nennt Leute, die sich's gefallen lassen, „brother“ und ist in toto ein wunderbar nachgemachter Ghetto-Darsteller featuring Fotzenbart und Siegelring, alles dran, tip top, und während er an der virtuellen brennenden Mülltonne lehnt, teilt er dem Feuilleton mit: Kanak Sprak is isswere Sprak. Freunde, so liest man, nennen ihn Feri. Nicht sogar Feri ultra?