Das Portrait
: Der impulsive LDP-Rebell

■ Junichiro Koizumi

Könnte das japanische Volk heute ihren Premier aus den Reihen der regierenden Liberaldemokraten (LDP) wählen, dann würde der 56jährige Gesundheitsminister Junichiro Koizumi mit Abstand gewinnen. Vor allem jüngere Japaner mögen den kraushaarigen Politiker wegen seiner Art, Probleme beim Namen zu nennen. Doch das hat ihm in der alten LDP-Garde viele Feinde geschaffen. Sie fürchten, Koizumi könnte mit forschen Reformen ihr traditionelles Klientel verschrecken.

Koizumi gehört mit 26 Jahren Parlamentserfahrung schon selbst zu den alten Hasen. Er stammt aus einer traditionsreichen Politikerfamilie der Provinz Kanagawa westlich von Tokio. Bereits sein Großvater und Vater waren Minister. Nach dem Wirtschaftsstudium wurde Koizumi Sekretär des damaligen Premiers Takeo Fukuda. 1972 wurde er mit 30 Jahren als jüngster Politiker nach dem Zweiten Weltkrieg ins Unterhaus gewählt. 1988 übernahm er zum ersten Mal das Amt des Gesundheitsministers. Seitdem hatte er unter vier Premiers Ministerposten inne.

Für Aufsehen sorgte er 1992, als er als Postminister die Privatisierung der Postsparkasse forderte. Mit diesem Vorschlag, der später von Oppositionspolitikern aufgegriffen wurde, wollte Koizumi eine der heiligen Kühe in Japan schlachten, um mehr Transparenz in den Finanzsektor und die Budgetausgaben des Staates zu bringen. Die Postsparkasse ist das weltgrößte Finanzinstitut, in dem 60 Prozent aller Spareinlagen der Japaner liegen. Damit finanziert die Regierung seit Jahren Nachtragshaushalte, Konjunkturprogramme und Aktionen zur Stützung der Börse, die maßgeblich dazu beigetragen haben, Reformen im Finanzsektor zu verschleppen.

Als Kandidat für das Amt des Premiers zielt Koizumi nun auf eine andere heilige Kuh. Er will innerhalb von zehn Jahren die aufgeblähte Regierungsbürokratie halbieren und eine Dezentralisation einleiten. Obwohl seine Rezepte im Volk Anklang finden, muß er damit rechnen, im heutigen Wahlgang gegen die alte Garde seiner Partei zu unterliegen. „Die Zeit für ein junges Gesicht ist in der LDP trotz Wahlschlappe noch nicht reif“, befürchtet Makiko Tanaka, die Tochter von Ex- Premier Kakuei Tanaka. André Kunz