Algeriens Polizei hindert 300 Kinder an Ausreise

■ Regierung in Algier verhindert eine Ferienfreizeit bei Gastfamilien in Frankreich

Paris (taz) – Fast 300 weinende Kinder blieben im Hafen von Algier zurück, als das Schiff, das sie in die Sommerferien nach Frankreich tranportieren sollte, am vergangenen Sonntag in See stach. Im allerletzten Moment hatten die algerischen Regierung die Kinderreise verboten. Die einzige Erklärung der Polizisten, die gegenüber Eltern und enttäuschten Kindern das Ausreiseverbot durchsetzen mußten: „Wir haben Befehle.“

Als ob es nicht schon schwer genug wäre, als AlgerierIn Einreisepapiere für Frankreich zu bekommen, sorgen damit jetzt auch die algerischen Behörden selbst dafür, die Landesgrenzen undurchdringlich zu machen. Dabei hatten die Kinder ordungsgemäße Visa für Frankreich sowie Ausreisegenehmigungen und Erlaubnisse ihrer Erziehungsberechtigten dabei. Die waren dementsprechend wütend: „Morgen werdet Ihr selber nicht mehr reisen dürfen“, schrieen Mütter die Polizisten an.

Der französische „secours populaire“, der die Kinder eingeladen und für sie Gastfamilien in Frankreich gesucht hatte, reagierte entsetzt. In einem Brief an den algerischen Präsident Liamine Zéroual beklagt die der KPF nahestehende große Wohlfahrtsorganisation, daß die Kinder ihrer „Ferien beraubt werden“, und weist darauf hin, daß insgesamt in diesem Sommer Frankreichreisen für 1.000 algerische Kinder geplant sind. Das nächste Kinderschiff soll Algier am 30. Juli verlassen.

Doch über die Frage, ob die Kinder dann wieder reisen dürfen, war bis gestern in Paris nichts bekannt. Der „secours populaire“ und die algerischen Hilfsorganisationen, die die Reisen vorbereitet haben, schalteten inzwischen auch die UNO-Kommission unter dem portugiesischen Ex-Präsident Mario Soares, die seit Dienstag zu einer nicht genau definierten „Informationsmission“ in Algerien weilt, in die Gesprächsversuche ein.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die algerische Regierung ein Dekret erlassen, das Kindern, die Opfer des Terrorismus geworden sind, die Teilnahme an Ferienlagern im Ausland untersagt. „Um Indoktrinierungen“ zu vermeiden, wie es hieß. Und um zu vermeiden, daß über die Kinder geheime Informationen ins Ausland geraten, wie algerische Regierungsmitglieder behaupteten, die von „regelrechten Verhören“ im Ferienland wissen wollten.

Die algerischen Hilfsorganisationen sowie der französische „secours populaire“ hatten sich an die restriktiven Bedingungen jenes Dekrets gehalten und für diesen Sommer keine Terroropfer, sondern bloß Kinder aus bedürftigen Familien aus verschiedenen Landesteilen eingeladen. Dorothea Hahn