Analyse: Schröder für Kultur
■ Die Idee vom Kulturminister in Zeiten des ausgehenden Wahlkampfs
Es gibt eine ganze Reihe von Politikern, die für sich reklamieren, die gegenwärtig geführte Debatte um die Installierung eines Bundeskulturministers initiiert zu haben. Tatsächlich aber war es Werner Knopp, der im Januar aus dem Amt geschiedene Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der kurz vor seiner Pensionierung erstmals von der Notwendigkeit der Einrichtung eines solchen Postens sprach. Knopps Appell war eine Rede in eigener Sache, und sie war von einer gewissen Resignation geprägt. Wenn sich Bund und Länder, so der überzeugte Föderalist Knopp damals, partout nicht auf seinen Nachfolger einigen könnten, wenn zudem der Bund in der Hauptstadt Berlin immer mehr kulturelle Aufgaben selber übernehmen sollte, dann sei die Gründung einer Deutschen National-Stiftung über kurz oder lang unausweichlich. Und für diese Nationalstiftung brauche man dann auch einen speziell und ausschließlich dafür zuständigen Minister, einen Bundeskulturminister eben.
Knopps Vorschlag sollte zunächst wenig Widerhall finden. Wohl wurde die Idee vereinzelt aufgegriffen, unter anderem von der Grünen-Politikerin Antje Vollmer oder von Olaf Schwencke, dem ehemaligen SPD-Europaabgeordneten, heute Vorsitzender des Kuratoriums der Kulturpolitischen Gesellschaft in Bonn, der im Januar in einem Beitrag für den Berliner Tagesspiegel eine heftige Anklage gegen den aus seiner Sicht den Länderegoismus bestärkenden Kulturföderalismus formulierte. Im großen und ganzen jedoch herrschte erst einmal zwei, drei Monate lang allgemeines Schweigen. Die Situation änderte sich schlagartig, als sich die überregionalen Feuilletons der Sache annahmen. Und plötzlich wurde auch der Ton der Diskussion ein anderer. Statt der definitio ex negativo keimte Hoffung. Auf einmal wurde ein deutscher Jack Lang visioniert, ein Kultur-Impressario, der alles, was derzeit im argen liegt, zum Guten biegt. Nun meldeten sich auch die Verbände zu Wort. Der Deutsche Kulturrat, der Verband deutscher Schriftsteller und etliche andere schlossen sich der Forderung nach einem Bundeskulturminister an. Das weitere ist bekannt: SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder beendete die Debatte auf seine Art und schuf insofern vollendete Tatsachen, als er der Öffentlichkeit den 57jährigen Verlagsmanager Michael Naumann als seinen „Staatsminister für Kultur im Bundeskanzleramt“ präsentierte. Auffallend dagegen ist die eigentümliche Zurückhaltung der Regierungskoalition. Das hat einen einfachen Grund: In Bonn ist bereits jemand auf Bundesebene für kulturelle Angelegenheiten zuständig. Sein Name: Anton Pfeifer, Staatsminister im Bundeskanzleramt. Das Problem ist nur: Pfeifer zeigt so wenig Profil, daß sich offenbar nicht mal seine eigenen Parteifreunde auf ihn berufen wollen. Ulrich Clewing
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