■ Die Gewerkschaften mögen Jost Stollmann nicht
: Denke einfach, denke schlicht

Wie beneidenswert einfach muß doch ein Gewerkschafterleben sein. Unangefochten von dem weltweiten politischen Umbruch, der Globalisierung, des Aufbaus einer europäischen Währung mit all den Gefahren und Herausforderungen, wissen Gewerkschafter unzweifelhaft, was Sache ist: Die Subventionen für den Bergbau sind gut so. Unser Rentensystem ist gut so. Das gesamte Sozialsystem ist gut so. Schlecht sind die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Lockerung des Kündigungsschutzes, die Abkoppelung der Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitseinkommen. Basta! Wer was anderes sagt, „muß noch viel lernen“, dessen Kenntnisse „lassen sehr zu wünschen übrig“, der gibt „dumme“ und „geradezu feindliche“ Sprüche von sich.

Wie Jost Stollmann, der Kandidat für das Amt des Wirtschaftsministers in Gerhard Schröders Schattenkabinett. Wie schön, daß es wenigstens bei den Gewerkschaften noch so viel selbstsichere Urteilskraft gibt. Man möchte ihnen vorschlagen, für alle Zweifelnden und Verwirrten einen Telefondienst einzurichten. Statt Wasserrauschen oder lieblicher Musik sollten die Positionen der Gewerkschaften abgeleiert werden. Immer und immer wieder.

Das Programm müßte natürlich sofort aktualisiert werden, wenn dieser Jost Stollmann mal wieder was gesagt hat, dieses rote Tuch für jeden aufrechten Sozialdemokraten. Dieser unangepaßte Kerl, der sich erdreistet, nicht in formelhafter Sprache das Parteiprogramm der SPD rauf und runter zu beten, der nicht darauf bedacht ist, bloß keinen Fehler zu machen. Dieser Unmensch, der Althergebrachtes in Frage stellt, zum Beispiel, daß Industrien mit Milliarden subventioniert werden, während für Zukunftstechnologien kein Geld da ist. Dieser Unruhestifter, der darauf hinweist, daß es in Zukunft immer weniger Vollzeitarbeiter geben wird, die ihr Leben lang ununterbrochen beschäftigt sind. Wie paßt denn so einer in die liebgewordene Gewohnheit, Probleme zu verdrängen, am liebsten gar nicht anzusprechen, um bloß keine Mitglieder oder keine SPD-Wählerstimmen zu verlieren?

Wie gut, daß die Gewerkschaften da sind, um schnell mit dem gnädigen Hammer zuzuschlagen, der zwar platt macht, aber für die beruhigende Gewißheit sorgt: Wir wissen schon, wer und was schlecht für unser Land ist.

Fragt sich nur: Wie wird's besser? Markus Franz