Der Schlamm hinterläßt die Toten

Das Hochwasser in der Slowakei steigt nicht mehr. Die Rettungsmannschaften suchen noch nach weiteren Opfern. Jetzt wird die Katastrophe zum Wahlkampfthema  ■ Aus Bratislava Juraj Alner

Die Menschen im ostslowakischen Dorf Jarovnice sind erschüttert: Gestern wurden dort 28 Tote beerdigt – Opfer der bislang größten Hochwasserkatastrophe in der Slowakei. Bislang haben Rettungsmannschaften 38 Leichen aus den Schlammassen geborgen, mindestens 32 Personen gelten noch als vermißt. Auch im Südwesten Polens forderten durch heftige Niederschläge ausgelöste Überschwemmungen sieben, in Nordböhmen mindestens vier Todesopfer. Gestern stieg das Hochwasser jedoch nicht weiter.

In der Slowakei sind von den schweren Überschwemmungen vor allem die beiden Bezirke Kosiče und Prešov mit 13 Dörfern betroffen, in denen größtenteils Roma leben. „Als der Regen kam, war ich nicht weit von meinem Haus entfernt“, erzählt eine ältere Frau. „Sofort stand ich bis zu den Knöcheln im Wasser. Als ich am Gartentor ankam, reichte mir das Wasser schon bis zum Bauch.“ Und Josef Drozd, Journalist und spezialisiert auf Fragen des Umweltschutzes, sagt: „Am Hang des Berges in der Nähe des am schlimmsten betroffenen Dorfes wurde vor einigen Jahren der Wald gerodet. Der hätte einen Großteil des Wassers aufnehmen können.“

Um die größte Not zu lindern, wurden kurzerhand mehrere Spendenkontos eingerichtet. Seit Tagen gehen dort Zahlungen von Banken, Privatunternehmen und Kirchen ein. Nicht zufällig tun sich dabei auch die politischen Parteien hervor – in zwei Monaten finden in der Slowakei Parlamentswahlen statt. Nicht zuletzt dieser Umstand ist wohl auch der Hauptgrund für die harsche Kritik der Opposition an Regierungschef Vladimir Mečiar. Der hätte sich sofort in die betroffene Region begeben müssen, mäkelten Politiker der Opposition. Die Antwort der Regierung: Der Regierungschef habe die Einrichtung einer Kommission veranlaßt, außerdem sei ein Staatssekretär des Landwirtschaftsministeriums sofort vor Ort gewesen.

Genauso wie Mečiar glänzte auch Tschechiens neuer Regierungschef Miloš Zeman durch Abwesenheit im Hochwassergebiet in Nordböhmen. „Ich sehe keinen Grund, dort zu erscheinen. Die Aufgabe eines Politikers besteht nicht darin, den Betroffenen die Hände zu schütteln, sondern schnell zu helfen“, sagte Zeman.

Doch die Hochwasserkatastrophe wird nicht nur im Wahlkampf instrumentalisiert. So beklagten sich die Roma, daß nur den Slowaken geholfen werde. Diese behaupteten, die Roma beteiligten sich überhaupt nicht an den Rettungsarbeiten und warteten statt dessen passiv auf Hilfe des Staates. Seit gestern gelten in den beiden Bezirken Anordnungen der Bürgermeister, wonach Arbeitslose zu Rettungs- und Aufräumarbeiten eingesetzt werden müssen. Bei Nichterscheinen droht der Verlust des Arbeitslosengeldes.