Serbische Offensive im Kosovo

Polizei und Armee versuchen, die Kontrolle über wichtige Straßen zurückzugewinnen. In der UCK-Führung ist ein Streit über das politische Vorgehen ausgebrochen  ■ Von Andrej Ivanji

Berlin (taz) – Im Nordwesten der serbischen Provinz Kosovo ist die bisher umfangreichste Offensive der serbischen Polizei im Gange, die massiv von Panzern und schwerer Artillerie des jugoslawischen Bundesheeres unterstützt wird. Sie greifen die von der „Kosovo-Befreiungsarmee“ UCK aufgestellten Straßenbarrikaden eine nach der anderen an. Wie es im Kommandostab der jugoslawischen Dritten Armee im Kosovo heißt, ist es das Ziel der am Samstag begonnen Operataion, die bisher von der UCK kontrollierten Straßen Priština–Prizren, Priština–Pec und Pec–Djakovica, wieder unter ihre Kontrolle zu bringen.

Im Dreieck der serbischen Angriffszone befindet sich im Dorf Mališevo das UCK-Hauptqurtier für den Westen Kosovos. Sollte die Anfangsphase der Offensive erfolgreich sein, soll in der zweiten Phase Mališevo abgeschnitten und unter Umständen auch der Kern der UCK vernichtet werden.

Nach Einschätzung des unabhängigen Belgrader Radio-Senders „B92“ geht der jugoslawische Generalstab davon aus, grünes Licht von der Staatengemeinschaft für einen massiven Einsatz gegen die UCK bekommen zu haben. Dabei sollten Opfer unter der Zivilbevölkerung vermieden werden.

„Wir haben jetzt wirklich die Nase voll“, sagte ein hoher EU- Diplomat, der anonym bleien wollte, gegenüber „B 92". Die UCK sei selbst schuld, da sie sich weigere, sich an Friedensverhandlungungen zu beteiligen. Der massive Angriff der serbischen Einheiten könnte die UCK endlich an den Verhandlungstisch zwingen.

Die UCK, anfangs eine kleine militante Organisation, hat sich in einen albanischen Volkswiderstand gegen die Repression des serbischen Regimes im Kosovo ausgeweitet. Der plötzliche Aufschwung, der massive Zufluß von Kämpfern, hat die Komandostrukturen der UCK durcheinandergebracht. Die Führung der UCK scheint ihrer Machtposition nicht gewachsen zu sein. Die „Befreiungsarmee“ hat noch keine eigenen politischen Strukturen und ist daher unbeholfen im diplomatischen Spiel der Weltmächte.

Das hat zu einer Auseinandersetzung in der UCK-Spitze geführt. Die einen wollen Ibrahim Rugova, den gewählten Präsidenten der Kosovo-Albaner, anerkennen, die anderen wiederum eine eigene politische Führung wählen, die mit der Staatengemeinschaft verhandeln könnte. Das bisherige UCK-Kommando ist jedoch gegen jedwede Verhandlungen, ignoriert die Aufrufe amerikanischer und europäischer Unterhändler und predigt den Kampf bis zum Endziel: Der Vereinigung aller Albaner in einem unabhängigen Staat.