Die Euphorie vom Aufschwung ist vorbei. Afrika schlittert zurück in die Wirtschaftskrise. In den meisten der als Hoffnungsträger gefeierten Länder wachsen die Probleme. Jetzt wird die Abhängigkeit von weltwirtschaftlichen Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt Von Dominic Johnson

Im Sprung abgefangen

So hatte sich das Robert Rubin nicht vorgestellt. Als der Staatssekretär im US-Finanzministerium kürzlich zu einer Reise durch Afrika antrat, begegnete er lauter Problemen: In Elfenbeinküste stieß er auf einen erbitterten Streit zwischen Regierung und Opposition über eine Verfassungsänderung, die Kritikern zufolge die Macht des Präsidenten in demokratiegefährdender Art ausweitet. In Südafrika konnte er jeden Tag das Zittern der Nation über den neuesten Absturz der Landeswährung gegenüber dem Dollar miterleben. In Kenia traf er auf eine politische Klasse, die bis in höchste Stellen hinein korrupt ist. Vom „dynamischen, demokratischen Afrika mit einem Wachstum, das seinen Bewohnern einen höheren Lebensstandard und eine größere soziale Stablität bietet“, das Rubin vor seiner Abreise beschworen hatte, war nicht viel zu sehen.

Robert Rubin ist nicht der einzige, der derzeit diese Erfahrungen macht. Quer durch Afrika rudern Auslandsinvestoren zurück, revidieren Wirtschaftsinstitute Wachstumsraten nach unten und kämpfen Politiker gegen schrumpfende haushaltspolitische Spielräume. Die kurzlebige Euphorie von einer „Afrikanischen Renaissance“, wonach Afrika endlich den Tigerstaaten Asiens hinterherspringe, scheint vorbei.

Beispiel Südafrika: In der mit Abstand größten Volkswirtschaft des Kontinents geht die Regierung offiziell noch von Wirtschaftswachstumsraten von 3,8 Prozent in diesem Jahr und 4,9 Prozent 1999 aus – aber Ökonomen rechnen für 1998 nur noch mit Nullwachstum und nächstes Jahr bestenfalls mit zwei bis drei Prozent. In keinem Land außerhalb der Krisenländer Asiens sind die Realzinsen derzeit so hoch wie in Südafrika. Die Landeswährung Rand ist gegen den US-Dollar stark gefallen, die Kreditwürdigkeit des Landes wird derzeit heruntergestuft, die Kapitalflucht nimmt zu – monatlich werden derzeit etwa 40 Millionen Mark aus Südafrika abgezogen, fast viermal soviel wie letztes Jahr. Und im April 1999 wird gewählt.

Uganda, das von internationalen Geldgebern als Reformmodell gefeierte ostafrikanische Land, hat sein Wirtschaftswachstum dieses Jahr sogar von sieben auf 5,5 Prozent fallen sehen. In seiner Haushaltsrede im Juni verwies der Finanzminister auf hartnäckig unter Plan liegende Staatseinnahmen, die Ausgabenkürzungen zur Folge haben müßten. Wegen zunehmender Rebellenaktivitäten sollten aber zugleich die Verteidigungsausgaben „ganz erheblich“ erhöht werden. Das sind düstere Aussichten für ein Land, das noch immer unter drückender Armut leidet.

Ein weiteres Beispiel ist Äthiopien: Das Land, das vergangenes Jahr die proportional zur eigenen Wirtschaft größten Weltbankkredite in ganz Afrika erhielt, befindet sich heute im Krieg mit dem ebenfalls einst als Hoffnungsträger gefeierten Eritrea. Die Früchte der jüngsten wirtschaftlichen Erfolge werden nun in höhere Militärausgaben gesteckt. Und in diesem von Geldgebern gelobten Land ist der Staatshaushalt ein Staatsgeheimnis. Mitte Juli ereiferte sich darüber sogar die Regierungszeitung und stellte kritische Fragen: „Wieviele große Regierungsprojekte sind in den letzten sieben Jahren abgeschlossen worden, und wo sind sie? Wann wird der Rechnungshof eine geprüfte Bilanz der Staatsfinanzen vorlegen?“

In anderen afrikanischen Staaten sieht es nicht hoffnungsvoller aus: Die attraktivsten Länder für die Mineralienausbeutung – Kongo, Angola und Nigeria – stecken für die absehbare Zukunft in der politischen Krise. Die kleineren Länder Westafrikas, wo nach dem Zusammenbruch der meisten Militärdiktaturen die Hoffnung auf wirtschaftliche Erholung wuchs, sind viel zu früh an infrastrukturelle Grenzen gestoßen. Es bleibt kaum noch ein Land, das nicht durch eigenes Versagen oder Abhängigkeit von kriselnden Nachbarn vor dem Sog der Rezession geschützt ist.

Neben klimatischen Unglücken wie Dürre oder starke Regenfälle ist ein Hauptgrund für die neue Krisenstimmung sicher in der Asienkrise zu suchen. In den letzten Jahren ist es unter afrikanischen Politikern Mode geworden, dem asiatischen Modell nachzueifern, das neben hohen Wachstumsraten ja auch diktatorenverträglich ist. Noch vor drei Jahren hatte Frankreichs Präsident Jacques Chirac behauptet, Afrika werde in 30 Jahren dort sein, wo sich heute die asiatischen Tigerstaaten befinden. Angesichts der Asienkrise klingt das jetzt wie Hohn, denn die Krise in Ost- und Südostasien hat für Afrika tatsächlich direkte Folgen: Kapitalanleger scheuen weltweit das Risiko, die Märkte für wichtige afrikanische Rohstoffe wie Öl, Tropenholz oder Edelsteine schrumpfen. Immer noch gilt in Afrika die Ausbeutung primärer Rohstoffe durch ausländische Investoren, möglichst kombiniert mit vernünftigen Regierungen, als Schlüssel zum Aufschwung. Aber die Investitionen, die tatsächlich nach Afrika fließen, beschränken sich zumeist auf geographisch klar abgegrenzte Einzelprojekte wie Bergbau oder Ölförderung oder die Modernisierung von Handelsrouten zur Küste. An der Masse der Bevölkerung gehen sie ohnehin vorbei.

Langsam merken jetzt afrikanische Politiker, daß die brave Umsetzung der von Geldgebern gesetzten ökonomischen Prioritäten ihnen nicht dauerhaft weiterhilft. Gerade bei den Führern der afrikanischen Hoffnungsträger, wie Nelson Mandela in Südafrika oder Yoweri Museveni in Uganda, mehren sich antiwestliche Töne, die die Notwendigkeit eigener Entwicklungswege betonen. Die Regionalorganisation des südlichen Afrika SADC hat jetzt erstmals angefangen, im Einverständnis mit der Weltbank eigene entwicklungspolitische Ziele zu definieren.

Bei einem SADC-Gipfel im Juli wurden provisorisch vier Prioritäten für die regionale Entwicklung benannt: Freihandel; Förderung der Infrastruktur in den Bereichen Energie, Transport, Bildung und Telekommunikation; berufliche Bildung; Kampf gegen Aids. Kaum etwas davon wird ausländische Investoren anziehen. Aber alles zusammen bringt vielleicht mehr als der kurzlebige Traum nach dem aus fernen Kontinenten importierten Wirtschaftswunder.