Greenpeace oder: Wie ich lernte, die Bombe zu klauen

■ Umweltorganisation versuchte nach der Wende bei den Sowjettruppen in Ostdeutschland eine Atombombe zu kaufen. Doch der Plan, damit die Gefahr vagabundierenden Plutoniums zu beweisen, schlug fehl

Berlin (taz) – Jahrelang haben sie vor dem Transport von nuklearem Material gewarnt, jetzt stellte sich heraus: 1991 hat Greenpeace vergeblich versucht, einen Nuklearsprengkopf von einem sowjetischen Raketenstützpunkt in Sachsen-Anhalt nach Berlin zu schmuggeln. „Wir haben versucht, den atomaren Gefechtskopf einer russischen Rakete in die Finger zu kriegen, um der Weltöffentlichkeit zu demonstrieren, wie leicht solche Waffen verfügbar sind“, bestätigte gestern Mika Railo, Sprecher von Greenpeace International, gegenüber der taz.

Die britische Tageszeitung Independent hatte am Wochenende ausführlich über den versuchten Atomschmuggel berichtet. Dabei soll ein 29jähriger Sowjetoffizier an einen Greenpeace-Mitarbeiter mit Erfahrung in Abrüstungsfragen herangetreten sein und angeboten haben, zum Preis von 250.000 Dollar einen Nuklearsprengkopf zu stehlen. Der Offizier war nach eigenen Angaben auf dem Stützpunkt Altengrabow stationiert. Außer Geld war ihm Hilfe bei der geplanten Flucht nach Schweden versprochen worden. Die Vereinbarung zwischen der Umweltschutzorganisation und dem Leutnant platzte, als dieser nach mehreren Treffen mit dem Greenpeace- Mitarbeiter William Arkin unvermutet verschwand. Sein Schicksal ist offenbar bis heute ungeklärt. „Es wäre das größte nukleare Ereignis seit Hiroshima gewesen“, zitiert die britische Zeitung Arkin, den früheren Leiter der Greenpeace-Abteilung für Abrüstungsforschung. Greenpeace- Sprecher Railo lehnte Konsequenzen für Mitarbeiter der Organisation ab. „Aus der ganzen Aktion wurde ja letztlich nichts. Insofern ist der Fall abgeschlossen“, sagte er der taz. Railo räumte ein, die Aktion sei von der Greenpeace-Spitze um den damaligen Direktor Steve Sawyer geplant worden. Eine Gefährdung der Bevölkerung habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Patrik Schwarz

Bericht und Interview Seite 2