Schwarzes Gold aus dem Nationalpark

Größtes deutsches Ölfeld in der Nordsee will Förderung mehr als verdoppeln  ■ Von Beate Kranz

Unter den großen Fördergebieten gilt sie als Zwerg. Für die Bundesrepublik ist die Sandbank Mittelplate im schleswig-holsteinischen Wattenmeer vor der Dithmarscher Küste jedoch das größte Erdölfeld in der deutschen Nordsee. Und das umstrittenste: Denn die Mittelplate liegt im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und nur wenige Kilometer von der Vogelschutzinsel Trischen entfernt. Umweltschutzverbände fordern deshalb seit langem das Ende der Förderung.

Vom nächsten Jahrtausend an aber soll das „schwarze Gold“ nach dem Willen des Energiekonzerns RWE/DEA noch schneller zu Tage sprudeln. Wurde das Öl bisher nur von Wasser aus über eine Bohrinsel gefördert, soll es vom Jahr 2000 an zusätzlich direkt von Land aus durch eine kilometerlange Bohrung aus der Tiefe des Meeresbodens gesaugt werden. Vom Küstenort Friedrichskoog brachte der Konzern kürzlich eine 7700 Meter lange Bohrung bis in das Ölfeld nieder. „Dadurch soll die Förderung der Bohrinsel Mittelplate ergänzt werden“, erläutert RWE/DEA-Sprecher Harald Graeser.

Waren 1977 noch etwa 550.000 Tonnen Rohöl aus bis zu 3000 Meter Tiefe gefördert worden, plant der Konzern schon in diesem Jahr mit bis zu 900.000 Tonnen. „In vier Jahren scheint ein Förderpotential bis zu zwei Millionen Jahrestonnen realistisch“, hofft Graeser. Unter der Mittelplate werden 100 Millionen Tonnen Erdöl vermutet. Die gewinnbaren Reserven liegen bei 30 Millionen Tonnen – davon wurde bisher erst ein Zehntel gefördert.

Die Bohrinsel Mittelplate liegt wie eine stählerne Badewanne im Nationalpark Wattenmeer – eineinhalb Bootsstunden nördlich der Elbmündung. Bei Ebbe sitzt der 95 mal 70 Meter lange Koloß aus Stahl, Beton und Kabeln im Trockenen auf Sand. Erst mit der Flut wird die Bohrplattform wieder zur Insel. Da Pipelines im Nationalpark nicht gestattet sind, wird das Öl per Schiff von Tank-Leichtern an Land transportiert.

Somit ist die Ölförderung nicht nur durch die Transportkapazität begrenzt, sondern zudem stark wetterabhängig: Bei Ebbe oder Sturm fährt kein Schiff – und die Förderung muß vorübergehend eingestellt werden. Dennoch zahlt sich der Bodenschatz für die Betreiber, die dort in den nächsten fünf Jahren 500 Millionen Mark investieren wollen, aus: „Das Öl liegt ja direkt vor der Haustür“, so Graeser.

Naturschützern ist die Ölförderung im Nationalpark seit langem ein Dorn im Auge. Erst im vorigen Monat forderte der World Wide Fund For Nature (WWF) erneut die Einstellung der industriellen Ausbeutung der Nordsee. Die Ölförderung sei mit den Zielen des schleswig-holsteinischen Naturschutzgesetzes „nicht vereinbar“.

Die Naturschützer hoffen darauf, daß bei der Novellierung des Gesetzes, die im nächsten Jahr erfolgen soll, auch die Fördergenehmigung zur Diskussion steht. Die ist nämlich bis zum Jahr 2011 begrenzt.