„Wir bräuchten dringend mal Urlaub“

■ Die Ersatzeltern ausländischer Pflegekinder können nicht einmal verreisen

Ob sie schon alles versucht habe? „Ooh“, schnaubt Ann Gibson resigniert. Immer wieder war sie beim Jugendamt, bei der Ausländerbehörde, bei der türkischen Botschaft. Und immer noch hat sie für ihre siebenjährige türkische Pflegetochter keinen Paß – obwohl diese bereits seit über vier Jahren bei den Gibsons in einem kleinen Dorf im Hamburger Umland lebt. Folgen hat das nicht nur für die kleine Ayse: Seit vier Jahren konnte ihre Pflegefamilie nicht mehr ins Ausland reisen.

Besonders traurig war das im vorigen September. Da starb die Mutter von Ann Gibson. Sie lebte in England, wo sie auch beerdigt wurde. Gerne hätte Ann Gibson an diesem schweren Tag ihre Familie bei sich gehabt. Statt dessen mußte sie alleine zur Trauerfeier in ihre Heimat fliegen.

Ausländische Kinder, die in hiesige Pflegefamilien kommen, erhalten dadurch nicht deren Status. Anders als bei der Adoption bleibt das Sorgerecht nämlich bei den leiblichen Eltern. „Eine Pflegschaft ist immer nur für einen begrenzten Zeitraum gedacht“, erklärt Karin Marchlewitz, Koordinatorin der bezirklichen Pflegekinderspezialdienste. „Auch wenn sie sich bis ins 18. Lebensjahr erstreckt“.

Die Pflegefamilie bekommt vom Jugendamt nur den Auftrag, das Kind stellvertretend für die Eltern zu erziehen, bis diese die Aufgabe wieder selbst übernehmen können. Etwa, wenn eine drogensüchtige Mutter eine Therapie abgeschlossen oder sich endgültig von dem Mann getrennt hat, der das Kind mißhandelte.

Weitreichend ist die Konsequenz insbesondere bei Kindern von Asylsuchenden: Läuft der Asylantrag der leiblichen Eltern etwa in Hamburg, darf das Kind das Stadtgebiet nicht verlassen – und da es nicht allein zu Hause bleiben kann, können folglich auch die Pflegeeltern nicht einmal in den Urlaub fahren.

Die Aufnahme von Pflegekindern ist ein Ehrenamt. Das Jugendamt, das die Familien vermittelt, kommt für den Unterhalt des Kindes auf, zahlt darüber hinaus aber nur ein kleines Honorar. Die Gibsons leisten allerhand – sie haben drei Pflegekinder angenommen. Die beiden Jungen sind behindert, einer der beiden schwer, die kleine Ayse, die als Baby mißhandelt worden war, ist psychisch äußerst labil. „Wir bräuchten dringend mal Urlaub“, seufzt Ann Gibson, die sich für ihr soziales Engagement regelrecht bestraft fühlt. Elke Spanner