Aufstand der Illegalen in Italien

Aus Angst vor Abschiebung rebellieren in Unteritalien kasernierte heimliche Einwanderer. Die Regierung in Rom befürchtet eine neue Strategie der Immigranten  ■ Aus Syrakus Werner Raith

Dreizehn Verletzte, darunter zehn Polizisten: Das ist die traurige Bilanz einer Revolte in einem der Aufnahmelager für illegal eingereiste Immigranten im sizilianischen Syrakus. Die etwa dreihundert Männer hatten sich in und auf dem Gebäude verschanzt und die Carabinieri und anderen Bewacher des Camps, das die Illegalen nicht verlassen dürfen, mit Steinen und Ziegeln beworfen. Daraufhin hatte die Polizisten in der Nacht das Feuer eröffnet und das Lager gestürmt. Zwanzig mutmaßliche Anführer der Revolte wurden festgenommen. Ihren Angaben zufolge seien die Lagerinsassen vor allem deshalb so aufgebracht, weil ihnen niemand erklärt habe, warum sie festgehalten werden.

Fast zeitgleich hatten auch in mehreren der sechs Aufnahmelager auf Italiens südlichster Insel Lampedusa gut vierhundert in den letzten Wochen beim Landungsversuch festgehaltene und dann internierte Männer und Frauen aus Nordafrika auszubrechen versucht, um noch irgendwie aufs Festland zu kommen.

Die Unruhen kommen den italienischen Behörden denkbar ungelegen. Erst vorige Woche hatten sie der Europäischen Union einen Bericht über die Sicherheit der EU-Außengrenzen in Italien gegeben und stolz darauf hingeweisen, daß allein seit Jahresbeginn mehr als 18.000 Personen zwangseise in ihre Heimatländer zurückgeschickt worden seien. „Italiens Grenzen sind sicher“, sagte Innenminister Giorgio Napolitano. Nun aber bangt er, daß die Rebellionen eine „neue Strategie“ der Immigranten ankündigen.

Das Problem ist schwierig zu lösen: Bisher nahmen die meisten Länder „ihre“ Illegalen wieder zurück, sofern Italien die Reise zahlte. Nun aber verlangen einige von ihnen den Nachweis, daß die Betreffenden in Italien nicht straffällig geworden sind, so daß die Regierung nun just die Unerwünschtesten behalten müßte oder Straftaten dieser Personen nicht mehr verfolgt. Außenminister Lamberto Dini, der mit den besonders „ausreisewilligen“ Ländern Tunesien und Marokko Verhandlungen aufgenommen hat, um die Abreise der Immigranten bereits vor den Küsten der betreffenden Länder zu blockieren, sieht „nur geringe Zeichen wirklicher Bereitschaft zur Zusammenarbeit“.

Sein Verdacht ist nicht unbegründet. Nach dem Vorbild Albaniens, das nach einer Massenflucht ansehnliche Hilfsgelder von der EU und besonders von Italien bekommen hat, wollen auch andere Nachbarstaaten mit Hilfe des Immigrationsdrucks Gelder einsammeln. Der EU-Außemninisterrat soll sich nach italienischem Willen spätesens Anfang August mit der neuen Entwicklung befassen.