Ein bißchen Revolution

■ Aber Delta-Radio findet's trotzdem super: Yellowide aus Hamburg zwischen Marketing und Musikertum

Auf dem Cover hängen fünf junge Männer lässig im Retro-Chic in schneeweißen Sesseln. Das matte Weiß, mit dem man in den 70ern Bang & Olufsen-Stereoanlagen als die Krönung des Geschmacks preisen konnte, zieht sich durch die gesamte Gestaltung und bildet einen Kontrast zur Farbigkeit, die in Formvon Kleidung etwas zu sehr an ihnen hängt. Selbst die angemalten Instrumente verschwinden fast vor dem Hintergrund und lenken so die ganze Aufmerksamkeit auf die Figuren.

Das „o“ im Bandnamen ist graphisch zu so etwas wie einem abstrahierten Auge aufgewertet, welches die vergangene Modernität der 60er hervorruft. Im Innencover blickt der Sänger mit einem ebenso fordernden wie unbeleckten Blick, der prototypisch von englischen Bands eingesetzt wird, um zu sagen: „Es ist zwar nur Musik, aber daran kommt ihr nicht vorbei, ihr kleinen Scheißer.“ Auf dem Backcover, neben den unvermeidlichen „Marketingpartnern“, steht's dann: produced by Franz Plasa. Natürlich. Der Mann, der weiß, wie man einen Haufen talentierter Burschen dazu bringt, genau so zu sein, wie man so ist. Nichts mit aufgeblasenen Images und Musik, die mehr auf eine Band herunterplumpst als aus ihr herausdrängt. Einfach nur das, was da ist, verstärken und so aufbereiten, daß jeder das kapiert. So zumindest hat's bei Selig funktioniert. Und nun Yellowide?

Stefan Oliver Knoess und Jörg Sander geben sich betont locker. Man merkt ihnen an, daß sie Erfahrungen im Umgang mit einem Major Label haben, damals, als ihre Band noch Disko hieß. Sie wissen, was es bedeutet, wenn eine Plattenfirma einen Haufen Geld in ein paar junge Leute investiert. Daß dies heißt, Kompromisse zu schließen zwischen künstlerischem Verlangen und finanziellem Interesse. Sie müssen nicht ständig betonen, alles unter Kontrolle zu haben. Auch wenn ihnen nicht sofort der Name der Produktionsfirma ihres neuen Videos einfällt – genau so wollen sie es haben. Sie wissen, was sie machen und was sie sind: Musiker, und das wollen sie auch bleiben.

Den Plasa kennen sie schon lange, und so ist er auch eher guter Freund als Geschäftspartner. Das Risiko, ständig auf seine Vergangenheit gestoßen zu werden, nehmen sie in Kauf. „Schließlich will er auch endlich davon weg, der ewige Selig-Produzent zu sein.“ Und schließlich ist da ja noch ihre Musik. Begreifen tun sie sich als Pop-Band, bedienen tun sie sich auch mal beim Rock. Die Gesangsmelodien sind häufig catchy. Unterlegt sind sie jedoch von Gitarren, denen Verzerrung zum Abziehbild von Rebellion gerinnt – soviel Rebellion, wie Delta-Radio für notwendig hält. Hier steckt der Rock, auch wenn „wir genauso gut eine Drum'n'Bass-Platte hätten machen können“. Haben sie aber nicht.

Das Gute ist, daß ihr Selbst-Bewußtsein sie schon führt – Rock, Pop, Major, Plasa hin oder her. Sie machen ihre Musik, wie sie so kommt, dann muß sie raus und ist weg. Den Wegwerf-Charakter, der Pop so oder so häufig anhängt, betonen sie selbst. „If you feel alright, then I feel o.k.“ Mehr wollen sie auch gar nicht sagen. Ob das reicht, um nicht irgendwann selbst weggeworfen zu werden? Egal, dann „machen wir wieder was anderes“. Hauptsache Musik.

Carsten Hellberg