Im Temporausch durchs Wattenmeer

Hamburger Reeder will Liniendienst mit Schnell-Katamaran nach Sylt aufnehmen. Tier- und Naturschützer befürchten Gefährdung der bedrohten Schweinswale  ■ Von Sven-Michael Veit

Im Temporausch auf die Insel. Mit einer Schnell-Fähre will die Hamburger Reederei „Speedway Fast Ferries“ einen Liniendienst von der Hansestadt nach Sylt einrichten. In weniger als drei Stunden soll ein Hochgeschwindigkeits-Katamaran von den Landungsbrücken nach Hörnum an der Südspitze der größten nordfriesischen Insel flitzen. Eine erste Probefahrt will Reederei-Chef Arne Weber bereits am 17. September durchführen, zwei weitere sollen kurz darauf folgen. Bei „einem erfolgreichen Test“ will Weber eine regelmäßige tägliche Verbindung ab April 1999 einrichten.

Erst im Juni vergangenen Jahres hatte Speedways unter dem Slogan „fly the sea“ einen täglichen Katamaran-Fährbetrieb zwischen Hamburg und Helgoland aufgenommen. Der habe sich als „wirtschaftlicher Erfolg“ erwiesen, so Weber. Zwischen Juni und dem Beginn der Winterpause im Oktober habe der Katamaran „Vargøy“ rund 22.000 Menschen auf die einzige deutsche Hochsee-Insel gebracht.

Das 40 Meter lange Doppelrumpf-Boot für 230 Passagiere pflegt mit einer Spitzengeschwindigkeit von 36 Knoten (etwa 65 Stundenkilometer) über die Wellen zu düsen. Die Strecke bis zum roten Felsen in der Nordsee legt die „Vargøy“ in lediglich zweidreiviertel Stunden fast doppelt so schnell zurück wie die traditionellen Pötte.

Nun soll die „Vargøy“ auf drei Probefahrten die Kundenakzeptanz und die Strecke nach Sylt testen. Der Fahrpreis für die auf 3,5 Stunden geschätzte Seefahrt beträgt 150 Mark in der Economy-Class (169 Plätze) und 200 Mark in der 1. Klasse (61 Sitze).

Webers erklärtes Ziel ist es aber, „schneller und günstiger als die Bahn zu sein“. Intercitys brauchen von Hamburg nach Westerland etwa drei Stunden, das Rückfahrticket 2. Klasse kostet 142 Mark. Um beides zu unterbieten, erwägt der Reeder für den Liniendienst den Bau eines neuen, größeren und noch schnelleren Katamarans für etwa zwölf Millionen Mark.

Mit einer Kapazität von 450 Sitzplätzen und einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als 40 Knoten (etwa 74 Stundenkilometer) soll die Fabelfähre die Fahrzeit nach Sylt auf deutlich unter drei Stunden drücken und bei „optimaler Auslastung“ günstigere Preise als die Bahn ermöglichen. Auch eine Einbeziehung der Nachbarinseln Amrum und Föhr in den Liniendienst hat Weber bereits „angedacht“.

Umweltschützer stehen dem Vorhaben skeptisch gegenüber. Dr. Hans-Ulrich Rösner, Projektleiter Wattenmeer des World Wide Fund For Nature (WWF) in Husum, hat erhebliche Zweifel, ob der Schnell-Katamaran „umweltverträglich“ sein könne (siehe Interview Seite 17). Der WWF werde sehr genau beobachten, ob die Belange der sensiblen Flora und Fauna im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer beeinträchtigt würden. Um Sylt anzulaufen, muß die Fähre durch eine Kernzone des Nationalparks fahren.

Auch die Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere (GSM) und der Internationale Tierschutz-Fonds (IFAW) kritisierten gestern, die Fähre zerstöre insbesondere den Lebensraum der Schweinswale. Alle drei Naturschutzverbände fordern seit langen ein Schutzgebiet für diese Kleinwale vor Sylt und Amrum.

Im Kieler Umweltministerium war gestern von den Plänen des Hamburger Reeders noch nichts bekannt. „Weder uns noch dem Nationalparkamt in Tönning liegt ein Antrag dafür vor, auch nicht für Probefahrten“, erklärte Claudia Viße, Sprecherin des grünen Umweltministers Rainder Steenblock. Allerdings sei das auch nicht zwingend erforderlich.

Denn nach der Befahrensregelung des Bundesverkehrsministeriums dürfen Schiffe auch im Nationalpark Wattenmeer ohne besondere Genehmigung fahren, sofern sie sich an die Auflagen halten: „16 Knoten hält der Bundesverkehrsminister für umweltverträglich“, so Viße. Das entspricht Tempo 30.