■ Tour de Rage
: Enttäuschte Liebhaber

ARD-Moderator Jürgen Emig hielt Jan Ullrich das Mikro unters Gesicht und guckte verständnisvoll, fast ein wenig traurig. Es gehe nicht an, daß die Tour-de-France- Berichterstatter nur noch Fragen zu Doping stellten, statt über den Radsport, durfte der Rennfahrer meckern. Folgsam erkundigte sich Emig nach dem „Sport“ und schmuggelte nur ab und zu mal eine kleinlaute Frage nach dem Dopingskandal ein.

Auch andere Radprofis gerieten in Rage – als ob bei dieser Tour de France ein Trikot für die lauteste Medienschelte zu vergeben wäre. So fertigte der Däne Bjarne Riis nachhakende Reporter mit einem „Verflucht noch mal“ ab, denn: „Die Medien brauchen uns Fahrer mehr als wir sie.“ Und der Berliner Jens Voigt ließ die Presse wissen, sie mache einen „beschissenen Job“ und ziehe die Tour in den Schmutz.

Was sich ARD-Mikrofonhalter Emig noch gefallen läßt – er kann ja auch kaum gemeint sein –, weisen Journalistenvereinigungen scharf zurück. „Ich halte diese Medienschelte für vollkommen unangebracht“, sagte Hermann Meyn, Präsident des Deutschen Journalistenverbandes, gestern zur taz. Schließlich gehe es nicht um Dopingvermutungen, sondern um Verfahren und Geständnisse. „Der Radsport hat sich selbst in den Dreck gezogen. Da ist Berichterstattung bitter nötig.“

Auch Jürgen Hahn, Vorstand beim Verband Deutscher Sportjournalisten, ärgert, daß auf „den Überbringer der schlechten Nachrichten“ eingeschlagen wird. Daran, daß die Sportler jetzt so reagierten, seien die Medien aber teils selbst schuld. Durch die „gefährliche Nähe“ des Fernsehens, etwa die ARD-Partnerschaft mit dem Telekom-Team, bekämen die Sportler ein falsches Bild von der Rolle der Journalisten. Andererseits hielten sich Berichterstatter schließlich auch für „Fans und Kumpels“, die auch mit den Sportlern auf- und abstiegen. Werde eine Sportart unpopulär, müßte mancher Radsportredakteur um seine nächste Dienstreise bangen. „Das ist wie eine verschworene Gemeinschaft“, sagt Hahn. Nach einem Skandal stünden Leute wie Emig dann da „wie enttäuschte Liebhaber“. Georg Löwisch