Clinton soll in Sachen Monica Lewinsky aussagen

■ Die Vorladung von US-Präsident Bill Clinton zur Aussage in der Lewinsky-Affäre birgt verfassungsrechtliche Probleme. Denn Chef des Sonderermittlers Kenneth Starr ist Clinton selbst

Washington (taz) – In Washington könnte diese Woche ein seltsames Schauspiel sinnlich erfahrbar werden lassen, daß nicht nur Bill Clinton, sondern das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten schlechthin einen dramatischen Verfallsprozeß durchmacht. Denn Clinton ist aufgefordert, sich bei den Ermittlungen um eine angebliche Affäre mit der ehemaligen Praktikantin Monica Lewinsky von Sonderermittler Kenneth Starr vernehmen zu lassen. Lewinsky selbst ist am Montag fünf Stunden lang von den Starr-Mitarbeitern vernommen worden. Laut Berichten der US-Presse soll sie dabei eine Affäre mit Clinton zugegeben haben – zum Meineid allerdings habe der Präsident sie nicht aufgefordert.

Das unwahrscheinlichste Szenario für diese Woche ist, daß der Präsident in seine Limousine steigt und die paar hundert Schritte die Pennsylvania Avenue zum Gerichtsgebäude hinabfährt, um sich der Vernehmung vor 24 Geschworenen zu stellen. Nicht völlig ausgeschlossen hingegen ist, daß die Geschworenen in einen Bus steigen und den umgekehrten Weg ins Weiße Haus zurücklegen, um dort in einem Amtszimmer einen Gerichtssaal zu improvisieren und eine Vernehmung zu inszenieren. Möglich auch, daß die Vernehmung im Weißen Haus stattfindet, aber per Videoschaltung ins Gerichtsgebäude übertragen wird.

In der sich seit sechs Monaten hinziehenden Ermittlung zu der Frage, ob Bill Clinton mit der Praktikantin Monica Lewinsky ein Verhältnis gehabt und sie dazu angehalten hat, darüber unter Eid zu lügen, ist jetzt die Vorladung zur staatsanwaltlichen Vernehmung an den Präsidenten selbst ergangen, die in Amerika vor 24 Geschworenen stattfindet.

Das beschwört gleich aus mehreren Gründen eine Verfassungskrise herauf: Kenneth Starr ist zwar von einem Richterkollegium bestellt, erfüllt aber die Aufgabe der Exekutive, deren oberster Dienstherr der Präsident selbst ist. Die Kontrolle der Exekutive aber kann nie von einem untergeordneten Beamten, sondern nur vom Parlament ausgeübt werden.

Und was ist, wenn der Präsident sich nun weigert, der Aufforderung nachzukommen? Kenneth Starr würde wahrscheinlich die Gerichte anrufen und wie im Falle der Vernehmung der Leibwache des Präsidenten recht bekommen. Aber was dann? Es ist kaum denkbar, daß der Präsident zwangsvorgeführt oder gar in Beugehaft genommen wird.

Außer rechtlichen schafft die Vorladung des Präsidenten aber auch politische Probleme. Soll Clinton den Sonderanwalt entlassen – wozu er das Recht hat – oder ihm doch wenigstens die Stirne bieten und öffentlich verkünden, daß der Ermittler sich vergaloppiert hat und inzwischen seine Nase in Privatangelegenheiten steckt, die mit der Amtsführung des Präsidenten nichts zu tun haben? Clinton bekäme dafür möglicherweise viel Beifall von der Öffentlichkeit. Vielleicht aber würde sich der Präsident damit auch schaden, weil er vor aller Welt den Eindruck erwecken würde, daß er etwas zu verbergen habe.

Wie auch immer das Problem schlußendlich gelöst wird: Der Präsident und sein Amt gehen geschwächt daraus hervor. Peter Tautfest