Gelitten wird im Grunge

■ Mit Fuck aus Oakland und Jonas aus Bad Bentheim kommen zwei Protegés von Tocotronic mit richtigen Gründungsmythen

Nicht nur Staaten, nein, auch Rockbands haben manchmal Gründungsmythen. Als eine Party im kalifornischen Oakland etwas ausuferte, landeten vier junge Männer in einer Gefängniszelle – als wären sie gedopte Radprofis. Und weil sich am Wochenende niemand mit ihrem Fall beschäftigen wollte, saßen sie 36 Stunden ein. Viel Zeit, um über gemeinsame Hobbys zu plaudern. Die Rockmusik zum Beispiel: „Sobald wir freikommen, gründen wir eine Band“, beschlossen die vier, und Fuck war geboren.

In Bad Bentheim, einer Kleinstadt an der holländischen Grenze, wurden vier andere geboren, die junge Männer zu nennen etwas tantenhaftes hat, denn die Musiker von Jonas sind erst zwischen 17 und 19 Jahre alt. Dennoch besitzt die Geschichte von Jonas bereits einen mythischen Moment. Bei einem Konzert in Bochum steckten die Jungs Jan Müller, dem Bassisten von Tocotronic, ein Demoband zu. Tocotronic hörten es im Tourbus, waren begeistert und luden die Band zu Aufnahmen nach Hamburg ein.

Doch nicht nur deswegen kommt man vor dem gemeinsamen Auftritt von Fuck und Jonas nicht an Tocotronic vorbei. Fuck bestritten eine Deutschland-Tour als Vorgruppe des Hamburger Trios, und im Frühjahr dieses Jahres nahmen diese sie mit auf eine Tour durch den Osten der USA. Fuck kann es nicht schaden, etwas protegiert zu werden, denn trotz ihres äußerst auffälligen Namens spielen sie eher unauffällige Musik.

Indie-Rock ist das, aber ohne dramatische Gefühlsaufwallungen. Statt dessen mischt sich schon mal Country-Rhythmus ein, und ein Liebeslied maskiert sich als Entschuldigung, daß der Sänger so oft weg ist, weil er in dieser „stupid band“ spielt. Das ist zu hören auf Conduct, dem kommenden zweiten Album für Matador, noch immer eines der gut sortierten Indie-Labels in den USA. Dort schätzt man die Detailverliebtheit von Fuck, die sich in absichtsvollem Knacken in den Songs äußert, aber auch in limitierten handgebastelten Covers und einer großen Plüschtier- und Spielzeugsammlung, die manchmal auch die Bühne ziert.

Von solcher Gelassenheit in der Selbstpräsentation sind Jonas weit entfernt. Hier wird gelitten, und zwar in Grunge. Die Adern treten am Hals hervor, wenn der zauselige Matthias Exler seine Wut herausschreit. Im nächsten Moment können die Musiker bei einer „modern grunge ballad“ schon wieder ganz selbstvergessen wirken. Die meinen es ernst – was zwar kein Wert an sich ist, aber doch zu beeindrucken vermag.

Und wer davon irgendwann die Nase voll hat, der kann sich ja noch auf Fuck freuen, bei denen man sich nie so sicher sein kann. Diese Leute sollen schon mal im Knast gewesen sein? Aber seit wann müssen Gründungsmythen schon wahr sein?

Felix Bayer Mi, 5. August, 22 Uhr, Golden Pudel Klub