Frische Quasare für das Weltraumkonto

■ Chronometer, Sextanten und Zeitbälle: In der Bleichenhof-Passage wird unter dem Titel Sterne über Hamburg die 500jährige Geschichte der Astronomie gezeigt

In einer glasüberdachten Passage kontemplativ die Sterne zu betrachten, davon träumte schon mancher Flaneur der Jahrhundertwende. Heute kann der Stadtwanderer dies in etwas schlichterer Atmosphäre im Bleichenhof tun: in der Ausstellung „Sterne über Hamburg“, die Dokumente, Fotografien und einige Apparate zur Geschichte der Astronomie versammelt.

Manche der gezeigten Objekte sind eindrucksvolle Belege des ingenieur-technischen Glaubens, die Dimensionen der Welt vermessen zu können. Der Chronometer und ein an einen Sextanten erinnerndes „Universal-Instrument zur geografischen Orts- und Zeitbestimmung“ von 1919 locken nicht nur Technikfreaks an. Weitere Raritäten der Ausstellung sind zwei Bücher. Das eine enthält Beschreibungen des dänischen Sternforschers Tycho Brahe von 1602, das andere ist einer der ersten „Sternenkataloge“ von 1712.

Die Ausstellung und mehr noch das Begleitbuch erzählen eine ganze Reihe skurriler Geschichten. Zum Beispiel jene über den „Zeitball“ von 1876, der im Hafen am Kaiserkai täglich am Turm hochgezogen und auf die Sekunde pünktlich um zwölf fallengelassen wurde. Alle Kapitäne stellten danach ihre Chronometer.

Im Mittelpunkt steht aber die Sternwarte. Hamburgs erste Sternwarte wurde 1823 am Millerntor errichtet – dort, wo sich heute das Museum für Hamburgische Geschichte befindet. Eine drehbare hölzerne Kuppel für kleine Fernrohre bekrönte das Gebäude. In einem Turm war das Äquatorial, das lichtstärkste Teleskop, untergebracht. Erst als das Licht der Stadt, der Ruß der Schornsteine und das Rumpeln der Straßenbahn die Beobachtung erschwerten, zog die Sternwarte 1912 nach Bergedorf – wo sich noch heute die Astronomen mit fernen Galaxien beschäftigen. Auf das Weltraumkonto der Bergedorfer geht beispielsweise die Entdeckung der sogenannten Quasare, jener extrem hellen Galaxienkerne am Ende des uns bekannten Universums.

Nur schwerlich entsteigt der Flaneur wieder dem Taumel der Himmelskörper und sieht sich in den Bleichenhof gebeamt. Feinsinnig konserviert die Passage den Charme ihres ursprünglichen Zwecks: den eines Parkhauses.

Thomas Schulze

bis 8. August, Bleichenhof-Passage, Große Bleichen 35 / Katalog: Jochen Schramm: „Sterne über Hamburg. Die Geschichte der Astronomie in Hamburg“, Kultur- und Geschichtskontor, Hamburg 1996