Wenig Wahlwerbung im Äther

■ Radiosender uneins im Umgang mit Parteienwerbung. Die meisten Privatsender wollen nicht für Extremisten wie die DVU werben und verzichten ganz auf die Spots zur Bundestagswahl

An der Frage „Wahlwerbung ja oder nein?“ scheiden sich in Berlin die Radiogeister. Bei den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunksendern im Raum Berlin-Brandenburg wird der Umgang mit „Parteien zur Wahl“ äußerst unterschiedlich gehandhabt. Während große Privatsender wie 104.6 RTL, Berliner Rundfunk 91,4 und 94,3 rs 2 überhaupt keine Wahlwerbespots senden werden, räumen andere Private wie Öffentlich-Rechtliche den Parteien Sendezeiten mit unterschiedlichen Einschränkungen ein.

Beim Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) bemüht sich der Rundfunkrat seit längerem, die Verpflichtung zur Ausstrahlung von Wahlwerbespots aus dem ORB-Gesetz streichen zu lassen. Da dies bisher nicht gelang, wird es bei den Hörfunksendern Werbespots geben, sagte ORB-Sprecherin Pia Stein. Grundlage für die Gewährung von Sendezeit werde die bestätigte Liste des Landeswahlleiters sein.

Beim Sender Freies Berlin soll es Wahlwerbung nur bei Berlin 88'8 geben, obwohl das SFB-Gesetz die Anstalt nicht dazu verpflichtet. Bisher gab es nach Angaben von Anke Naujock von der Rechtsabteilung 24 Anfragen. Grundlage für die Gewährung von Sendezeit werden Richtlinien der ARD sowie eigene Grundsätze des SFB sein. Wahlwerbung werde abgelehnt, wenn sie „evidente“, ins Gewicht fallende Verstöße gegen die allgemeinen Normen des Strafrechts enthalte.

Deutlicher drückt sich Sebastian Manz vom Privatsender Hundert,6 aus. „Wir strahlen Wahlwerbung aus, aber nicht von extremistischen Parteien.“ Dies seien sowohl DVU und Republikaner, „aber auch die PDS“. Das entspreche dem programmatischen Vorgehen des Senders, wie Manz sagte.

Bei 104.6 RTL hingegen werden Parteien ihre Programme nicht an den Mann bekommen. Sprecher Christoph Lemmer: „Es entsteht immer die Frage, wen läßt man und wen läßt man nicht?“ Und weil der Sender „keine DVU im Äther haben“ wolle, habe er sich strikt gegen Wahlwerbung entschieden.

Genauso betrachtete der Geschäftsführer vom Berliner Rundfunk 91,4, Kai Fischer, die Situation: Wenn der Sender Wahlspots der im Bundestag vertretenen Parteien annehmen würde, „müßten aus rechtlichen Gründen alle angenommen werden – auch die der seit ihren letzten Wahlerfolgen sehr massiv auftretenden extremistischen Parteien“. Deshalb werde es überhaupt keine Wahlwerbung geben.

Ähnlich auch die Lage bei 94,3 rs 2. Geschäftsführer Ulrich Gathmann: „Wir senden keine Parteienwerbung, weil wir extremen Parteien und Organisationen kein Sprachrohr geben wollen.“

„Der Hörer trennt den Radiosender nicht vom Werbespot“, weiß Volker Schwarzenberg, Marketingleiter bei BB Radio. „Machen wir's für einen, müssen wir's für alle machen.“ Weil der Potsdamer Sender aber bestimmte Parteien nicht „auf der Antenne“ haben will, gebe es eben gar keine Parteienreklame.

Bei Berlin aktuell 93,6 ist noch keine Entscheidung gefallen, wie ein Sprecher sagte. Wahrscheinlich sei aber ein Verzicht aus den gleichen Gründen wie bei den großen Privaten.

Eines der kleineren Berliner Privatradios hingegen, das christlich orientierte Radio Paradiso, will Spots senden. Der stellvertretende Chefredakteur Thomas Kucharz räumte allerdings ein: „Es gibt noch keine Anfragen.“ Claudia Pietsch (ADN)