Schlußstein der Anklage von Kenneth Starr

Der Sonderstaatsanwalt lädt US-Präsident Bill Clinton vor und sichert sich die Kooperation Monica Lewinskys. In einem weitrechenden Deal wird ihr und ihrer Mutter die völlige Straffreiheit zugesichert  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Jetzt stößt Sonderstaatsanwalt Kenneth Starr ins Zentrum jener Affäre vor, in der er seit sechs Monaten ermittelt. Zu Wochenbeginn stellte er dem Weißen Haus die Vorladung des Präsidenten zu und am Dienstag landete er noch einen Coup. Die Anwälte Monica Lewinskys erklärten, daß ihre Mandantin jetzt bekommen habe, was sie seit Monaten suche, nämlich einen Deal mit Starr, der ihr völlige Straffreiheit für eine umfassende und wahrheitsgemäße Aussage garantiert.

Monica Lewinskys Mutter Marcia Lewis wurde in den Deal gleich mit einbezogen. Weder Mutter noch Tochter können für irgend etwas belangt werden, was Gegenstand der Ermittlungen ist, in die sie einbezogen wurden. Ein derart weitreichendes Immunitätsangebot ist selten und hat schon zu Spekulationen darüber geführt, was Monica Lewinsky wohl zu sagen haben werde. Nach Auskunft der New York Times wird Lewinsky nicht nur zugeben, ein Verhältnis mit dem Präsidenten gehabt zu haben, sondern auch, mit ihm verabredet zu haben, alles zu leugnen. Die Washington Post hingegen glaubt zu wissen, daß Lewinsky bestreiten wird, vom Präsidenten zum Lügen aufgefordert worden zu sein. USA Today weiß, daß Lewinsky nur mit den Beratern des Präsidenten über mögliche Aussagen diskutiert haben will, und die Los Angeles Times schließlich berichtet, Lewinsky habe zwar ihre Aussage mit Clinton abgesprochen, sei dabei von ihm aber nicht zum Lügen aufgefordert worden. Keine der Zeitungen kann ihre Quellen offenlegen, womit sich die Strähne der unbelegten Behauptungen und der Gerüchtemacherei fortsetzt, mit denen Amerikas führende Blätter sich in sechs Monaten auf das Niveau von Boulevardblättern und Gossenjournalismus gebracht haben.

Lewinskys Aussage dürfte aber so oder so für den Präsidenten mindestens peinlich sein, weil der sowohl bei einer Vernehmung unter Eid wie auch vor Fernsehkameras entschieden abgestritten hatte, je ein Verhältnis mit „dieser Frau“ gehabt zu haben, „mit Monica Lewinsky,“ wie er hinzufügte.

Bei dieser ganzen Staatsaffäre geht es freilich nicht wirklich um Sex im Weißen Haus, sondern um Manipulation der Justiz, um Meineid und Anstiftung zum Meineid durch den Präsidenten. Ihre Wurzeln hat die sich jetzt zuspitzende Ermittlung in einer ganz anderen Affäre. Die Angestellte des Staates Arkansas, Paula Jones, hatte Clinton beschuldigt, sie während seiner Zeit als Gouverneur sexuell belästigt zu haben. Ihre Anwälte wollten ein Täterprofil Clintons als notorischer Wüstling zeichnen, wobei ihnen ein anonymer Tip zupaß kam, daß Clinton mit einer Praktikantin im Weißen Haus ein Verhältnis habe. In dem inzwischen eingestellten zivilrechtlichen Verfahren der Paula Jones waren sowohl Clinton wie Monica Lewinsky vernommen worden. Beide hatten unter Eid abgestritten, ein Verhältnis gehabt zu haben.

Was kann der Präsident jetzt tun, was kann ihm passieren? Der Pressesprecher des Weißen Hauses hat schon angedeutet, daß Clinton bei seiner Aussage bleiben werde, womit Aussage gegen Aussage steht – für den Sonderanwalt eine Sackgasse. Starr selbst hat aber sowieso keine Möglichkeit, Clinton unter Anklage zu stellen. Seine Aufgabe besteht darin, dem Repräsentantenhaus einen Bericht abzuliefern, das dann einen Ausschuß einsetzen und über ein Amtsenthebungsverfahren entscheiden würde. Wenn Lewinskys Aussage nicht noch Abgründe an Verderbtheit im Weißen Hause zu Tage fördert, wird selbst eine Republikanische Kongreßmehrheit keinen Prozeß gegen einen populären Präsidenten anstrengen wegen etwas, was die Mehrheit der Amerikaner als dessen Privatsache ansieht.

Starr wird ohnehin mit seinem Bericht nicht bis zu den Parlamentsferien am 8. August fertig werden. Und wenn der Kongreß im Herbst wieder zusammentritt, haben dessen Abgeordnete die Wahlen im November vor Augen. In einem neu gewählten Kongreß aber können die Mehrheitsverhältnisse ganz andere sein, und Starr wird dann jahre- und monatelang fürs amerikanische historische Archiv gearbeitet haben. Doch das schließt nicht aus, daß Clinton aus der Konfrontation mit arg geschwächter Autorität hervorgeht.