Wie der Bundesgrenzschutz zur Bundespolizei mutiert

■ Fast unbemerkt sind die Kompetenzen des Bundesgrenzschutzes in den letzten Monaten ausgeweitet worden. Immer deutlicher wird dabei, daß die Politik an einer Bundespolizei bastelt

Berlin (taz) – Nur die wenigsten werden Vitus Wagner persönlich kennenlernen. Das Signet, das demnächst Briefköpfe, Visitenkarten, Werbebroschüren und ähnliches schmücken soll, werden bald alle kennenlernen. Vitus Wagner ist Polizeihauptmeister und hat das neue Logo für den Bundesgrenzschutz (BGS) entworfen. „Bundesgrenzschutz – Polizei des Bundes“ steht nun unter dem Stern mit dem Bundesadler. Rechts daneben verwehen, locker hingepinselt die Nationalfarben. Damit schließt der BGS nun auch optisch seine jüngste Umgestaltung ab. Ermöglicht hat dies vor allem die am 1. Januar in Kraft getretene Neuorganisation und die Änderung des BGS- Gesetzes im Juli, welche die Befugnisse um die „verdachtsunabhängigen Kontrollen“ erweiterte.

Weitgehend unbemerkt hat der BGS seit Januar gewaltige Veränderungen durchgemacht. Zuständigkeitsbereiche wurden neu geschnitten, bisherige Standorte verlegt, neue Dienststellen geschaffen und Personal umgeschichtet. Daß der BGS das enge Korsett des Grenzschutzes verlassen hat, zeigt am deutlichsten die Einrichtung von 98 BGS-Inspektionen zur Verbrechensbekämpfung. Sie koordinieren nun die Fahndungs- und Ermittlungsarbeit der 19 Grenzschutzämter. Zudem erfolgt hier die Bearbeitung örtlicher und überregionaler Ermittlungsverfahren – in erster Linie im Bereich der Schleuserkriminalität und der grenzüberschreitenden Kriminalität. Ebenfalls neu eingerichtete „Mobile Kontroll- und Überwachungseinheiten“ sollen, unabhängig vom normalen Routinedienst für eigenständige Aufgabenschwerpunkte – etwa die gezielte mobile Überwachung eines bestimmten Grenzabschnittes, Straßenkontrollen oder die Fahndung nach Illegalen eingesetzt werden. Fünf dieser Einheiten sind an der deutschen Ostgrenze stationiert, eine im Westen. Zu den Aufgaben der jeweils 75 Mann wird auch die „Schleierfahndung“ gehören, also jene Kontrollen, die für eine Personenüberprüfung oder Durchsuchung nicht einmal mehr einen Anfangsverdacht voraussetzen. Die Bahnpolizei soll solche Kontrollen bundesweit in den Zügen vornehmen. Um den neuen Aufgaben gerecht zu werden, mußte sich die Organisation des Grenzschutzes von der früheren Verbandsstruktur lösen. Rund 60 Prozent, das sind 18.600 der etwa 30.000 BGSler arbeiten nun im Einzeldienst. Hierzu wurden die Gliederungen „Grenzpolizei/Luftsicherheit“ von 9.350 auf rund 13.000 und die Bahnpolizei um 880 auf zirka 5.540 Beamte aufgestockt. Hierfür verloren die Einsatzverbände knapp die Hälfte ihrer Stärke und umfassen nur noch 5.600 Mann. Dies heißt nicht, daß man den BGS bei Demonstrationen nicht mehr zu sehen bekäme. Die Veränderungen in diesem Bereich, so kürzlich Bundesinnenminister Manfred Kanther, dürfe „keineswegs als Abwertung der Verbandskomponente“ verstanden werden.

Auch wenn die Bezeichnung „Bundesgrenzschutz“ noch nicht gänzlich gestrichen wurde, so zeigt die Entwicklung, wie nahe man dem Ziel einer Bundespolizei gekommen ist. Mit der Umwidmung des BGS in eine uniformierte Schutzpolizei des Bundes hätten die Macher einen alten Traum umgesetzt. Bereits im November 1949 hatte der erste Bundesinnenminister Gustav Heinemann erklärt, das Kabinett plane die Aufstellung einer kasernierten Bundespolizei. Während der Plan bei den SPD- Ländern Zustimmung fand, meldeten andere, angeführt von Bayern, föderalistische Bedenken an. Ablehnung kam auch von Alliierten, und so mußte die Adenauer- Regierung sich 1951 mit einem Bundesgrenzschutz begnügen.

In Vergessenheit geraten sind die frühen Pläne dennoch nie – gleichgültig welche Parteienfarben in Bonn gerade dominierten. Mit dem „Gesetz über den unmittelbaren Zwang“ für Vollzugsbeamte des Bundes vom März 1961, war zugleich der erste Schritt zur Verpolizeilichung des BGS getan. Der nächste folgte 1973, als dem BGS neben dem Grenzschutzauftrag insbesondere die Unterstützung der Länderpolizeien bei besonderen Lagen übertragen wurde. Konsequenterweise wurden 1976 dann die militärischen Ränge durch Polizeidienstgrade ersetzt; ein Jahr später trat der BGS erstmal am Baugelände des AKW Brokdorf auf – und versäumt seither kaum eine Demonstration. 1992 übernahm er die Aufgaben der ehemaligen Transportpolizei der DDR, und noch im gleichen Jahr wurde die Organisation endgültig an die Strukturen der Länderpolizeien angeglichen.

Es liegt in der Natur der Sache, daß Dinge, die sich heimlich vollziehen, selten bemerkt werden. So sind dem BGS längst auch Festnahmen außerhalb seines eigentlichen Zuständigkeitsbereiches gestattet, wenn sie ihren Ausgangspunkt in Straftaten haben, die in seine originäre Zuständigkeit fallen, etwa Diebstähle im Bahnbereich oder die Fahndung nach Schleusern. Der Einsatz von akkustischen und optischen Mitteln bei längerfristigen Observationen ist ebenso gestattet wie der Einsatz von V-Leuten. Die Überwachung des Fernmeldeverkehrs ist den neuen Bundespolizisten derzeit noch nicht gestattet. Hingegen hört der BGS mit seiner „Gruppe Fernmeldewesen“ in Swisttal- Heimerzheim schon seit 1993 ganz legal den internationalen Funksalat ab. Abnehmer: die deutschen Geheimdienste. Otto Diederichs