„Die UCK ist noch nicht besiegt“

■ Bujar Bukoshi, Premierminister der kosovo-albanischen Regierung mit Sitz in Deutschland, über die jüngste Offensive der Serben im Kosovo

taz: Die serbischen Truppen sind im Kosovo überall auf dem Vormarsch. Befürchten Sie, daß die Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) jetzt geschlagen ist?

Bujar Bukoshi: Die serbische Seite hat eine Offensive unternommen, die schreckliche Konsequenzen für die Bevölkerung in den angegriffenen Gebieten hat. Es hat sicher ein gewichtiger Schlag gegen die UCK stattgefunden, ich würde jedoch nicht sagen, daß die UCK deshalb schon geschlagen ist.

Die kosovo-albanische Bevölkerung, so lauten Berichte aus Prishtina, ist nach der anfänglichen Euphorie jetzt frustriert.

Jetzt besteht die Gefahr, daß die Bevölkerung in Resignation verfällt. Die albanische Bevölkerung hat in den letzten Jahren bei ihrem Freiheitskampf immer wieder Niederlagen einstecken müssen. Sie hat jedoch nicht aufgegeben. Deshalb glaube ich, daß die Motivation weiterzumachen anhält.

Nach den bisherigen Erfahrungen folgte auf serbischer Seite nach militärischen Erfolgen eine Repressionswelle gegenüber der gegnerischen Bevölkerung.

Wir haben es leider mit einem Déjà-vu-Erlebnis zu tun. Die Serben haben auch in Bosnien einen Krieg gegen die Bevölkerung geführt. Jetzt tun sie dies im Kosovo. Es gibt schon ethnische Säuberungen und Verteibungen der Albaner aus ganzen Landstrichen.

Noch vor kurzem schloß die Nato eine militärische Intervention nicht aus. Wie beurteilen Sie die Haltung des Westens jetzt?

Der Westen hat sich zurückgezogen und den Weg frei gemacht für die serbischen Streitkräfte, die UCK zu zerschlagen. Statt eine Balance anzustreben, hat der Westen Milošević freie Hand gegeben, das zu tun, was er schon lange vorhatte.

Was bedeutet das politisch? Müssen die Albaner nun zu Kreuze kriechen?

Diese Ereignisse sind eine große Herausforderung an die politische Führung im Kosovo. Man hat trotz aller Warnungen von vielen Seiten erst zu spät mit der Zusammenarbeit zwischen den politischen und den militärischen Kräften der Kosovo-Albaner begonnen. Die Spaltung der Kosovoalbaner ist einer der Gründe für die aktuelle Lage. Die Notwendigkeit, unsere Kräfte zu vereinen, besteht natürlich weiter. Interview: Erich Rathfelder