Analyse
: Ein schlechtes Gesetz

■ In Frankreich schafft das Gesetz zur Arbeitszeitverkürzung keine Jobs

Das Stichwort „Arbeitszeitverkürzung“ sorgte weltweit für Aufsehen, als die französische Nationalversammlung im Mai mit einem Rahmengesetz die 35-Stunden-Woche einführen wollte. Damals geißelten französische Patrons und PolitikerInnen in den Nachbarländern das Gesetz als „staatlichen Dirigismus“, während die rot-rosa-grüne Regierung in Paris es als gigantische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme pries. Bloß vereinzelte GewerkschafterInnen wiesen darauf hin, daß die vagen Gesetzesbestimmungen eine weitgehende Deregulierung des Arbeitsmarkts ermöglichen würden.

Jetzt zeigt sich im Metallbereich, Frankreichs größter Industriebranche mit 1,8 Millionen Beschäftigten, wie „flexibel“ das Rahmengesetz tatsächlich ist. Am Dienstag abend unterzeichneten die Arbeitgeber mit drei kleinen Gewerkschaften ein Abkommen, daß das Gesetz de facto in sein Gegenteil verkehrt. Zwar genügen sie formal der Einführung der 35-Stunden-Woche, doch „kompensieren“ sie diese gleichzeitig durch eine radikale Anhebung der Überstunden und durch eine Aufhebung jeglicher Arbeitszeitregelung für hochqualifizierte Beschäftigte. Das Thema Neueinstellungen kommt gar nicht vor.

Statt Arbeitsplätze zu schaffen, verlangen die Arbeitgeber künftig statt der bisher 94 bis zu 205 Überstunden pro Jahr von ihren Beschäftigten. Und statt verbindlicher Arbeitzeiten wollen sie mit ihren IngenieurInnen Pauschalverträge abschließen, die keine Arbeitszeitregelungen mehr enthalten. Damit steigen zwar kurzfristig einzelne Löhne, doch der Arbeitsplatzeffekt ist gleich Null. Damit werden die Noch- Beschäftigten auch künftig mindestens 40 Stunden pro Woche im Betrieb sein. Und die Arbeitslosen bleiben wie gehabt außen vor.

Die beiden größten Gewerkschaften, CGT und CFDT, weigerten sich kategorisch, das widersinnige Metall-Abkommen zu unterzeichnen. Doch nach französischem Recht ist es auch dann verbindlich, wenn es nur von einer einzigen Gewerkschaft unterzeichnet wurde, mag sie noch so klein sein. Nun hängt die Zukunft des Abkommens von Arbeitsministerin Martine Aubry ab. Unterzeichnet sie, bekommt das Metall-Abkommen automatisch Vorbildcharakter für den gesamten Arbeitsmarkt. Aber auch wenn die Ministerin nicht unterzeichnen sollte, muß sie sich den Vorwuf gefallen lassen, ein schwaches Gesetz geschaffen zu haben. Eines, das zwar den Zweck erfüllt hat, alle Welt zu beeindrucken; dessen Umsetzung in tatsächliche Arbeitsbeschaffung aber ausschließlich vom Kräfteverhältnis zwischen den Tarifparteien abhängt. Und daß in den Zeiten der Massenarbeitslosigkeit die Arbeitgeber an einem langen Hebel sitzen, dürfte auch Madame la Ministre bekannt gewesen sein. Dorothea Hahn