Schlag gegen die UCK

Nach der Eroberung der UCK-Hochburg Malishevo durch die Serben sind im Kosovo erneut Tausende auf der Flucht  ■ Von Erich Rathfelder

Nach dem Fall der UCK- Hochburg Malishevo herrscht Verzweiflung bei den Kosovo-Albanern. In der Nacht zu gestern wurde die Stadt, in der sich auch Zehntausende von Flüchtlingen aufhalten sollen, von serbischen Truppen erobert. Die UCK-Kämpfer sollen sich in die Wälder zurückgezogen haben, Tausende Zivilisten sollen erneut auf der Flucht sein. Menschenrechtsorganisationen befürchten nun Übergriffe der serbischen Streitkräfte auf die kosovo-albanische Zivilbevölkerung. Schon nach der Einnahme der Stadt Orahovac ist es nach Aussagen von Flüchtlingen zu Massakern gekommen.

Auch die seit Ende Mai eingeschlossene Stadt Junik soll kurz vor dem Fall stehen. Die serbischen Belagerungstruppen fordern die Verteidiger mit Lautsprechern zur Übergabe auf. „Wir befürchten das Schlimmste“, ist die Einschätzung von allen Kontaktpersonen in der kosovo-albanischen Hauptstadt Prishtina. Die Nachricht, die UCK-Hochburg sei gefallen, habe zu „tiefer Resignation“ unter den Kosovo-Albanern geführt, erklärten Journalisten der kosovo-albanischen Tageszeitung Koha Ditore.

Nun hofften viele wieder auf ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft, obwohl dafür die Zeichen nicht sehr günstig stehen. Vor allem die Absicht der USA, die bosnischen Kriegsverbrecher Karadžić und Mladić nicht mehr verfolgen zu wollen, wird als ein Freibrief für die serbische Seite verstanden. Damit würde signalisiert, daß „Kriegsverbrechen nicht geahndet werden“, erklärten kosovo- albanische Journalisten.

Militärisch bedeutet die Einnahme Malishevos einen empfindlichen Rückschlag für die UCK. Sie hat damit ihr Zentrum und das wichtigste „befreite Gebiet“ verloren. Nun wird ein konzentrierter Angriff auf die noch verbliebenen, nicht unter serbischer Kontrolle stehenden Gebiete in Drenica, einer Region nördlich von Malishevo, erwartet. Gelänge es den serbischen Streitkräften auch dort, den Widerstand der UCK zu brechen, wäre der Kampf um den Kosovo wohl militärisch entschieden.

Die politischen Konsequenzen sind noch nicht abzusehen. Können die Kosovo-Albaner angesichts der militärischen Lage ihre Forderungen nach Unabhängigkeit noch aufrechterhalten, oder müssen sie sich in Zukunft allen serbischen Bedingungen fügen? Darauf wollen die politischen Führer der Kosovo-Albaner noch keine Antwort geben. Bisher ist es ihnen nicht gelungen, eine Delegation für Verhandlungen mit der serbischen Seite über einen Waffenstillstand zusammenzustellen. Es zeigen sich tiefe Risse zwischen den Anhängern des Präsidenten Ibrahim Rugova, den Vertretern anderer Parteien sowie der UCK. Dennoch kündigte Rugova eine baldige Entscheidung über die Zusammensetzung der Führung an.

Der US-Botschafter in Makedonien, Christopher Hill, zeigte sich unterdessen davon überzeugt, daß eine solche Verhandlungsdelegation der Albaner zustande kommen wird. Damit signalisierte der US-Diplomat, daß die Albaner auf diplomatischem Parkett noch mit der Unterstützung der USA rechnen können.

Ein Hilfeersuchen der Kosovo- Albaner ging auch an eine Delegation der Europäischen Union, die sich gestern zu Gesprächen mit Ibrahim Rugova in Prishtina aufhielt. Der russische Außenminister Jewgeni Primakow bekräftigte am Rande einer Konferenz in Manila, seine Regierung befürworte eine weitgehende Autonomie für das Kosovogebiet, nicht jedoch eine Unabhängigkeit.