Erlösung in der Zweiten Liga

■ Der FC St. Pauli erwartet heute zum Saisonauftakt den Aufsteiger Tennis Borussia Berlin

Finanziell hat sich der Abstieg aus der Ersten Fußball-Bundesliga für Toni Micevski gelohnt. Sein neuer Arbeitgeber, Zweitligaaufsteiger Tennis Borussia Berlin, bietet als jährliche Entlohnung mindestens 600.000 Mark. Mehr als sein letzter Klub, der Bundesligist FC Hansa Rostock, bieten konnte. Damit ist der mazedonische Nationalspieler längst nicht der Spitzenverdiener bei TeBe. Francisco „Paco“ Copado soll 750.000 Mark pro Spielzeit überwiesen bekommen, der langmähnige Mittelfeldstratege Bruno Akrapovic gar eine Million Mark. Summen, die Berlins Manager Bernd Lindner nicht bestätigt. Nur soviel: „Wir bezahlen mit Sicherheit sehr gut. Sonst würden solche Spieler nicht zu uns kommen.“

Seit die Banken-, Finanz- und Versicherungsdienste „Göttinger Gruppe“ 1996 als Sponsor bei den Berlinern eingestiegen ist, gilt TeBe als neuerlicher Beleg dafür, daß man Erfolg im Fußball kaufen kann. „Unser Sponsor schafft uns wirtschaftliche Voraussetzungen, die ich jedem wünschen würde“, umschreibt Bernd Lindner den finanziellen Kraftakt, mit dem TeBe nach oben geschoben werden soll.

Trainer Hermann Gerland muß sich bei seinem Amtsantritt im Oktober 1996 in Berlin wie ein Lotteriegewinner gefühlt haben, der unverhofft mit einem Riesenbündel Geldscheinen auf Einkaufstour gehen kann: Auf 14,5 Millionen Mark belief sich der Etat beim Regionalligisten. Ein Fingerzeig Gerlands, und dem gewünschten Spieler wurde ein Spind im heimischen Mommsenstadion eingerichtet. „Ich hatte die 20 besten Fußballer der Spielklasse in meinem Kader“, räumt Gerland ein. Erschütternd die Bilanz für die Sparringspartner aus der Regionalliga Nordost: Kein Spiel ging für TeBe verloren, mit 32 Punkten Vorsprung beendete man die letzte Saison. „Diese Truppe kann auch Frau Schulze von der Straße trainieren“, pflegte Hermann Gerland die ungleichen Verhältnisse zu beschreiben.

Daß zuviel Erfolg, zuviel Überlegenheit Neid und Antipathie bis zum Haß auslösen, ist das unangenehme Kapitel der Erfolgsstory. Transparente wie „Kauft euch doch eure eigene Liga“ oder „In der Schiri-Kabine steht euer Geldkoffer“ gehörten zu den harmlosen Empfangsritualen. Sprechchöre wie „Juden, Juden Berlin“ standen für die dumpfe Mischung aus Ost-West-Ressentiments, Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus, die Tennis Borussia in den Stadien entgegenschlug. In Cottbus wurden TeBe-Fans sogar mit Übungshandgranaten beworfen. „Der Aufstieg in die Zweite Liga kam einer Erlösung gleich“, erklärt Manager Lindner.

Obwohl es, oberflächlich betrachtet, nicht richtig zusammenpassen will. Tennis Borussia ist nicht nur der neureiche Emporkömmling im deutschen Profifußball. TeBe ist auch der Verein, in dem, so Lindner, „Berliner nichtdeutscher Nationalität zusammenkommen und einen friedfertigen Charme verbreiten“. Dabei hebt sich die kleine, rund 3.000 Fans zählende Klientel auch wohltuend von der aggressiv deutschtümelnden Fraktion des Lokalrivalen Hertha BSC ab. „Wir haben einige Gemeinsamkeiten mit dem FC St.Pauli.“ Nicht umsonst würden Fanfreundschaften zwischen den beiden Klubs gepflegt. „Wir kommen gerne nach Hamburg.“

Im Fußball sind die Grenzen abgesteckt: „Vom Aufstieg zu reden, wäre total überzogen. Den peilen wir erst im nächsten Jahr an. Jetzt wollen wir erst einmal auf uns aufmerksam machen.“ Die erste Gelegenheit dazu bietet die Partie gegen den FC St.Pauli, den „Tiger“ Gerland zu den Aufstiegsaspiranten zählt. „Das wird ein ganz heißer Tanz am Millerntor. Aber irgendwo aufzulaufen, um nur 0:1 zu verlieren, kommt bei mir nicht in die Tüte.“ Die Grundlagen dafür hat TeBe im Trainingslager in Franken geschaffen. „Mir tut alles weh. So viel bin ich noch nie gelaufen“, stöhnte Toni Micevski. Den Abstieg vom UEFA-Cup-Anwärter Rostock zu Tennis Borussia hatte er sich weniger schmerzhaft vorgestellt. Rainer Schäfer

FC St. Pauli – TeBe Berlin, heute, 19 Uhr, Millerntor