Zierfische und Bildschirme

■ Mit Börsenterminals wuchs Michael Bloomberg zum schnellstwachsenden Medienunternehmer der Welt. Nun will er mit BloombergTV nach Deutschland

Fragen wir uns nicht alle manchmal: „Was arbeitet Daddy eigentlich?“ Besonders spannend ist die Frage, wenn Daddy einer ist, über den Rupert Murdoch sagt, daß er „der kreativste Medienunternehmer unserer Zeit“ ist – „und zusammen mit Bill Gate möglicherweise auch der erfolgreichste“.

Pünktlich zum eigentlich für morgen geplanten Sendestart des deutschsprachigen Programms des Wirtschaftssenders Bloomberg TV gibt Firmengründer Michael Rubens Bloomberg schon einmal Antwort auf diese Frage und läßt alle, die es wollen, sich in seine Sprößlinge hineinversetzen: „Bloomberg über Bloomberg“ heißt die äußerst unterhaltsame Autobiographie, die laut Widmung als Antwort für Kinder der Verfasser gedacht ist.

Sicherlich nicht Daddies Sinne ist es, daß sich nun der Kabelgang seines Wirtschaftssenders auf „irgendwann im August“ verschiebt. Gründe sind Probleme mit der Telekom: Wechsel des Satellitentransponders und andere Schwierigkeiten in den Verhandlungen mit dem Kabelmonopolisten, gegen den selbst Daddy Bloomberg machtlos ist.

Das Besondere an Bloomberg TV ist der Multifeld-Bildschirm. Links senkrecht und unten waagrecht verläuft ein L-förmiger Balken, auf dem permanent neben Börsendaten aus aller Welt von der Uhrzeit bis zum Wetterbericht alle lebenswichtigen Informationen flimmern. Die restlichen zwei Drittel des Bildschirms macht die sogenannte Video-Box aus, auf der rund um die Uhr Nachrichten laufen. Über den Astra-Satelliten 1 A ist das englischsprachige Programm schon seit August letzten Jahres in Deutschland zu empfangen. Bis Ende diesen Jahres soll nun die deutsche Version im ganzen Bundesgebiet ins Kabelnetz eingespeist sein.

Das Monopol im deutschen Kabelfernsehen für die lustigen Laufleisten mit aktuellen Börsendaten hatte bisher der Nachrichtensender n-tv – was sich immer dann besonders aufschlußreich ausnimmt, wenn der Sender zu den Schlußkursen von VW und Deutsche Bank Berichte über geraubtes jüdisches Gold oder Nazi-Zwangsarbeit zeigt. n-tv-Geschäftsführer Karl-Ulrich Kuhlo blickt der neuen Konkurrenz in der Welt der Flimmerstreifen jedoch gelassen entgegen: „Ich habe überhaupt keine Angst vor Bloomberg“. Schließlich sende sein Sender mit seiner „Hintergrundberichterstattung“ hauptsächlich für Kleinanlager – „Bloomberg hingegen zielt auf Finanzprofis, und die gucken eh' schon Bloomberg TV.“ Daß Bloombergs Info-Overkill für die oberen 10.000 seinen deutschen Kabelgang nun schon ein drittes Mal verschieben muß (bei den ersten beiden Versuchen im letzten Jahr mangelte es an Kabelplätzen), ist für das Unternehmen nicht weiter schlimm, zumal man eh nur mit einem Marktanteil von 0,3 Prozent rechnet. Außer in den USA, in Südamerika und Asien sendet das werbefinanzierte Bloomberg TV bereits in Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien – und schreibt überall in Europa rote Zahlen. Zusammen mit einer Online-Nachrichtenagentur, drei Zeitschriften, diversen Radiosendern und einem Buchverlag machen die Fernsehprojekte aber nur rund drei Prozent des Umsatzes von Bloomberg aus, der dieses Jahr bei 1,5 Milliarden US-Dollar liegen dürfte. Dafür verbreiten sie den Namen Bloomberg, und das ist das einzige was zählt, denn „der Name Bloomberg ist, wenn auch nicht zum Inbegriff schlechthin, so doch zumindest zu einem Synonym für Erfolg geworden“.

Dementsprechend heißen die eigentlichen Stars des Medienunternehmens, die die 97 Prozent des Gesamtumsatzes einfahren, ohne jeden Zusatz schlicht und ergreifend „Bloomberg“. Seit der Unternehmensgründung 1982 sind diese Computerterminals zu einem festen Bestandteil des Big Business avanciert. Für eine Monatsmiete von rund 1.400 US-Dollar beliefert das Finanzinformationssystem auf Knopfdruck weltweit Banken, Redaktionen, Regierungen und selbst den Vatikan mit Daten und Analysen der Finanzmärkte. Auf der ganzen Welt gibt es bisher über 100.000 solcher „Bloombergs“, zwischen fünf und 7.000 davon in Deutschland. Die jährliche Zuwachsrate liegt bei 30 Prozent.

Dabei begann die Erfolgsgeschichte des heute 56jährigen Bloomberg mit einem Rausschmiß. Michael Bloomberg, der von seinen Angestellten nur „Mike“ genannt werden will, hatte sich in 15 Jahren vom Bleistiftanspitzer zum Starbroker und Gesellschafter der New Yorker Investmentbank Salomon Brothers hochgearbeitet. Nachdem der gnadenlose Selbstinszenierer einem seiner Chefs jedoch erklärt haben soll, daß er die Geschäfte besser führen könne, als dieser, war erst einmal Schluß: Er wurde 1981 beim Börsengang der Bank mit zehn Millionen Dollar Abfindung in die Arbeitslosigkeit entlassen. Bloomberg lobt die Ex-Chefs in seinem Buch dennoch unverdrossen: Denen habe er viel zu verdanken – Mindestens genausoviel wie seiner Pfadfinderzeit (Und: „Ich war gerne Pfadfinder.“).

Weil der Havard-Absolvent, Sohn eines Bostoner Molkereibuchhalters, ganz im Sinne der protestantischen Ethik jedoch nichts mehr liebt als die Arbeit, suchte er sich eine Marktlücke und wurde Unternehmer. Und weil leidenschaftliche Kapitalisten wie Bloomberg einfach wissen, wie der Markt läuft; weil zudem für sie „Amerika ein wunderbares Land“ ist, so der Untertitel des neunten Kapitels, wurde aus einem Blümchen binnen 15 Jahren Schwerstarbeit Bloomberg L.P., das am schnellsten wachsende Medienunternehmen der Welt.

Heute ist Mike der Gottvater von 4.500 Angestellten auf vier Kontinenten. Mit kostenlosen Schokoriegeln, Softdrinks und Früchten, dekorativen Zierfischbecken und jährlichen Familienfesten liegt das Personalmanagement von Bloomberg ganz im Re- Feudalisierungstrend der Wirtschaft, frei nach dem Motto: „The firm is the family“.

Bloomberg selbst glaubt, daß ein Firmenchef für seine Angestellten so etwas ist wie ein „Priester, ein Erzieher“ sei. Er predigt die Religion des Fortschritts und der Effizienz und singt Hohelieder auf Adam Smith und Charles Darwin. Auf seine Homepage wirbt Bloomberg L.P. dementsprechend für seine 45-Stunden-Woche-Jobs mit dem Slogan: „Come to where the strong survive and be a part of our team.“ Jost Stollmann hätte es nicht schöner sagen können. Ania Mauruschat

Autobiographie: „Bloomberg über Bloomberg“, Börsenbuchverlag, 68 Mark

Im Laufe des August soll Bloomberg TV in vier Ländern ins Kabel: in Niedersachen auf Kanal S 30, in Hessen auf S 25 (jeweils 24 Stunden). In Bremen wird es vorerst auf S 24 von 6 bis 12 Uhr und in Hamburg auf S 21 von 6 bis 9 Uhr zu sehen sein.

Internet: www.bloomberg.com