Die Beschwichtigungstour der ARD

■ Nicht nur für Sportler und Sponsoren wurde die Tour zum Desaster, auch für die ARD-Reporter: Der Fernsehsender hängt mit im Geschäft

„Empörend“ stand ganz oben auf dem Fax, das gestern die Worte von Werner Zimmer, dem obersten Chef der ARD-Reporter von der Tour de France in die Welt hinausschickte. Da regte sich der Mann, unter dem gemeinsamen Briefkopf von ARD und TelekomAG aber nicht hauptsächlich darüber auf, wie gedopte Radfahrteams die Tour zur Farce machten. Nein, die Fahrer weckten Zimmers Mitleid: „Sie verdienen einfach mehr Respekt.“

Kein Wunder: Die ARD spielt bei dem Radrennen längst nicht mehr die Rolle des neutralen Berichterstatters. Wie sollte sie auch, wenn sie neben der Telekom Hauptsponsor des Teams um Jan Ullrich ist? Wie sollte sie, da sie sich von der Tour den zweiten großen Quotenrenner nach der Fußball-WM versprochen hat? Seit der Dopingskandal die Rundfahrt bestimmt, fallen die ARD-Journalisten ebenso wie ihr Chef durch übergroßes Verständnis für die Fahrer auf. Das sei ja „ganz schwer“ für die unbelasteten Teams, diese Diskussion „wegzuhalten von den Fahrern“, säuselte etwa Reporter Jürgen Emig kürzlich zu einem Betreuer des Telekom-Teams. Und vom Spiegel gefragt, warum er nicht kritischer sei, entgegenete er entsetzt: „Soll ich etwa Jan Ullrich fragen, ob er gedopt ist? Das ist nicht mein Stil.“

So ist die Tour nicht nur zum Desaster für die Fahrer und Sponsoren geworden, sondern auch für den Ruf der ARD. Wegen der geschäftlichen Interessen der ARD mit der Tour und dem Telekom- Team scheint es nicht nur am Stil von Mikrofonhalter Jürgen Emig zu liegen, das die Berichterstattung zur Beschwichtigungstour wird. Schließlich bescherte die Tour dem Ersten letztes Jahr 40 Millionen Zuschauer. Und schließlich hat die ARD einen Sponsoringvertrag über vier Millionen Mark abgeschlossen, der das Telekom- Team fördert. Gleichzeitig ist der Telefonkonzern Sponsor der Radsportsendungen der ARD. Im Vorspann der täglichen Sendungen mischen sich Telekom-Werbung und „Sportschau“-Intro trefflich: „Das Erste und T D1 präsentieren Ihnen die Tour de France.“ Im Internet bietet der öffentlich-rechtliche Sender die „ARD-Tour-Uhr“ (69 Mark) an, das „ARD-Tour-Spiel“ kostet 129,80 Mark. Soll sich die ARD etwa all diese Geschäfte selbst schlechtreden?

Eine „Schere im Kopf“ der ARD-Reporter, sieht Jörg Hahn, Vizechef des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Sportler und Reporter sieht er längst als „verschworene Gemeinschaft“. Da sei es auch verständlich, daß die Radprofis sauer seien, wenn doch mal Kritik komme. Wie soll ein Rennfahrer verstehen, daß eine böse Frage von Journalisten kommt, wo es doch die Sender sind, die sein Team bezahlen?

Probleme mit der gleichzeitigen Rolle als Geschäftspartner und Berichterstatter bestreiten die ARD-Leute indes rundheraus: „Wenn Sie mir einen Fall hinlegen, wo sie eine Abhängigkeit nachweisen können, würde ich dem gerne nachgehen“, sagt leutselig Oberreporter Werner Zimmer. Und Werner Rabe, Sportgeschäftsführer bei der ARD erzählt, wie „völlig unabhängig“ doch die verschiedenen Berichte voneinander seien. Die Berichterstattung mache schließlich der Saarländische Rundfunk, das Geschäft mit dem Sponsoring besorge die Werbetochter des Bayerischen Rundfunks. Den Fördervertrag mit dem Telekom- Team habe der ARD-Vorsitzende abgeschlossen und für die Show „Tour on Tour“, die durch 15 deutsche Städte tingelt, sei die Marketingabteilung zuständig. Georg Löwisch