Tour de France flüchtet in die Schweiz

■ Auf der 18. Etappe rettet sich der Rest der Tour de France vor dem Zugriff der Dopingfahnder nach NeuchÛtel – bis auf den Bergtrikotträger Rodolpho Massi, den die französische Polizei mit Kortison erwischt hat

Paris/Berlin (taz) – Die Tour de France hat sich gestern vor dem Zugriff der französischen Behörden in Sicherheit gebracht und ins schweizerische Neuenburg abgesetzt – dem Zielort der 18. Etappe. Vor dem Start dieser Etappe im französischen Aix-les-Bains war gestern der von diesem Moment an ehemalige Träger des Bergtrikots, der Italiener Rodolpho Massi, in Polizeigewahrsam genommen worden. In seinem Hotelzimmer war Kortison gefunden worden. Kortison kann als Dopingmittel eingesetzt werden. Massi ist damit der erste Profi, der von Staats wegen Berufsverbot erhielt.

Im Zuge der Dopingermittlungen wurden außer dem Profi aus dem Casino- Team auch der Sportdirektor des französischen Teams Française de Jeux, Marc Madiot, und der Arzt der spanischen Once- Mannschaft, Nicolas Terrados, festgenommen. Am Vorabend hatte die französische Polizei sich von dem Bummelstreik und der damit verbundenen Forderung der Radprofis nach einer temporären Immunität nicht beeindrucken lassen und die Quartiere dieser drei Mannschaften durchsucht.

Die spanischen Teams Banesto und Once waren am Dienstag abend vereinbarungsgemäß ausgestiegen, nachdem ein Auto des spanischen Teams Kelme auf dem Weg von Genf nach Frankreich hinter der Grenze gestoppt worden war. Gestern stieg neben Vitalicio auch Kelme aus – als erstes Team, das mit dem Viertplazierten Escartin eine Spitzenplazierung eingenommen hatte.

Die Radprofis haben sich inzwischen auf die kommunistische Sportministerin und Dopingbekämpferin Marie-Georges Buffet als aus ihrer Sicht Hauptschuldige eingeschossen. „Diese Frau“, wie sie die Profis gerne nennen, mache, so der gestrige Etappenzweite Erik Zabel (Team Telekom), „die Polizei und die Justiz scharf gegen uns“.

Während sich der Co-Sponsor des belasteten TVM-Teams gestern zurückzog, wurde Casino, das Team des verhafteten Massi, von seinem Sponsor gedrängt, weiterzufahren. Die imageschädigenden Ereignisse sollen angeblich keine Auswirkungen auf das zukünftige Engagement der Deutschen Telekom im Profi-Radsport haben. „Die Verträge mit dem Team laufen wie vereinbart bis 2001. Unser Team hat nichts verbrochen. Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber unseren Sportlern, die sauberen und fairen Sport liefern“, sagte Telekom-Kommunikationsdirektor Jürgen Kindervater gestern in Bonn.

Im schweizerischen Neuenburg konnten die Fahrer gestern abend verschnaufen; allerdings nicht lange. Heute kehrt die Tour nach Frankreich zurück. Die Dopingfahnder werden an der Grenze schon bereitstehen. Nichtsdestotrotz: Gefahren werden soll bis zum bitteren Ende am Sonntag in Paris. pu Tagesthema Seite 3

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