Wand und Boden
: Blondinen altern nicht

■ Kunst in Berlin jetzt: Burrell/O'Beirn, Nolden, vom Bruch

Die Teiche sind mit Kieselsteinen eingerahmt. Am Rand sitzen Rentnerinnen in geblümten Kostümen und vertrödeln den Nachmittag. Manchmal schauen sie auch ins Parkhaus im Englischen Garten, schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, weil es dort so laut fiept, und setzen sich zurück auf ihre Bänke. Das ist schade, denn die Ausstellung der beiden Künstlerinnen aus Belfast, Lorraine Burrell und Aisling O'Beirn, paßt wunderbar in die Architektur des Tiergartens. Da ist zum Beispiel Burrells Video „Work in progress“: Ein junger Mann reckt sich und streckt sich zu asiatischer Ambientmusik an einem Tümpel und versucht dabei, die Ränder einer silbernen Zellophanmatte nicht zu übertreten. Für Burrell ist der gymnastisch mit sich selbst beschäftigte Sportler ein moderner Narziß, der in seinem Treiben die Welt vergißt. Mal kommt ein Ruderboot vorbeigepaddelt und verschwindet wieder, dann wird die skurrile Szene gleichermaßen zur Parodie auf Selbstvergessenheit und Naturidylle.

Der entnervend monotonen Klanginstallation von Burrell liegt ebenfalls die Idee einer gestörten Kommunikation zugrunde. Aus zwei rosafarbenen Satellitenkugeln mit seltsamen Phallusstacheln hört man einen immer gleichen Morsekode: auf den Befehl „Listen“ antwortet ein „No Comment“. Wer mag, kann in dem Bild auch den Verlust der Identität zwischen dem Norden und der Republik Irland erkennen.

O'Beirn reagiert in ihrer Arbeit auf ortsspezifische Angelegenheiten. Sie hat den Grundriß einer Industrieruine in ihrer Heimatstadt und den Plan des Charlottenburger Schlosses in Gips abgegossen und auf künstlichen Beeten ausgelegt. Das Zusammenspiel der architektonischen Versatzstücke funktioniert vor allem durch die Situation vor Ort. Damit das Gras nicht vertrocknet, muß der Rasen jeden Tag gesprengt werden, während der Gips immer neu das Wasser aufsaugt. Ähnlich paradox ist auch der Titel: „Plantation“ bezeichnet nicht bloß die Gartenpflege, sondern auch das Umsiedeln englischer und schottischer Einwanderer.

Bis 16.8., Di.–So. 14–20 Uhr, Altonaer Straße 2

Die Galerie „Empty rooms“ ist eine vollmöblierte Wohnung. Wer durch den Hof an der Axel- Springer-Straße 39 die enge Treppe in den dritten Stock findet, staunt nicht schlecht über die Schlafecke, einen vollgepackten Schreibtisch und aufgestapelte Bücher. Und weil die Räume des ehemaligen Ursulinerklosters gegenüber vom Springer-Gebäude liegen, ist auch die Ausstellung von Sabine Nolden der Trash-Ästhetik von BZ und Bild gewidmet.

„Paradiesäpfel“ besteht aus zwölf Gipsarmen, die in einem weißen Raum über die Wände verteilt arrangiert wurden. In jeder Hand liegt ein roter, aus Gelatine geformter Apfel, der dem Publikum mit verführerischer Geste angeboten wird. Um die Anziehungskraft der Objekte noch zu verstärken, hat Nolden kleine Bildchen auf ihre Äpfel geklebt. Es sind schwarzweiße Reproduktionen von Pin-up- Mädchen aus entsprechenden Gazetten von nebenan – sauber lächelnden Blondinen mit gewaltigen Dauerwellen und nicht weniger beeindruckenden Oberweiten. Das übliche Geschäft mit dem Sexobjekt.

Weil der Schein als trügerisch entpuppt werden soll, müssen die Gelatineäpfel in der Sonne schrumpeln. Als Folge des Verfalls knittern nun auch die Bildchen, und die üppigen Körper nehmen eher desolate Formen an. Was hier verwest, war vormals begehrenswert, so zumindest sieht es die Künstlerin. Doch die Gleichsetzung von konkretem Körper und erotischer Ikone greift zu kurz: Während der Apfel Wasser verliert, paßt sich das ihm eingeprägte Bild nur der veränderten Form an – aber es altert nicht mit. Eher schon gleicht es am Ende dem zerknitterten Foto einer weggeworfenen Zeitung.

Bis 9.8., Mi. 15–19 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung: 2519340

Daß die Schöheiten makellos bleiben, mit denen Klaus vom Bruch seine Videos bestückt, hat technische Gründe. Die drei Loops, die in der Galerie Hetzler installiert sind, zeigen Filmstars der fünfziger und sechziger Jahre – Kinoheldinnen aus der Jugend des Videokünstlers. Die Sequenz mit Kim Novak etwa, die in Hitchcocks „Vertigo“ fast regungslos vor sich hin starrt und nur einmal kurz ihren Kopf ein wenig wendet, ist kaum fünf Sekunden lang. Jetzt aber dauert die anmutige Haltung der silberblonden Schauspielerin eine Ewigkeit an. Dafür ist allerdings das Leben aus der Aufnahme gewichen und der Augenblick zum Zeichen festgefroren. Auf einem zweiten Monitor wirkt der Augenblick noch kürzer, in dem ein hübsches Starlett mechanisch mit den großen Augen rollt; und der dritte Loop zeigt auf wunderbare Weise, wie eine brünette Frau in einem Zugabteil wie in Trance nickt, während draußen wieder und wieder eine Westernlandschaft vorbeirast.

Wie sehr der frozen moment das Bild überhöht, zeigt sich neben den Videos auch in einer Reihe mit „Portraits“. Vom Bruch benutzt hier sechs vergrößerte Filmstills, auf denen Frauen von Doris Day bis Shirley MacLaine ein paar Gesten aus dem Fundus des Melodrams zelebrieren. Olivia de Havilland ist mit ihrem blauen Umhang den barocken Madonnendarstellungen näher als der Rührschnulze, aus der dieser Schnappschuß stammt. Überhaupt scheinen die Videoprints auf verblüffende Weise eine malerische Aura wiederzuerlangen, die mit der Fotografie längst erledigt war. Vielleicht liegt es einfach an den grob aufgerasterten Bildpunkten; vielleicht ist es aber auch die Vertrautheit mit dem Medium Film, die einem die Filmstars wie Ikonen erscheinen läßt. Obwohl man diesen Effekt von Warhols Siebdrucken kennt, ist vom Bruch noch näher dran an Hollywood.

Bis 15.8. Di.–Sa. 11–18 Uhr, Zimmerstraße 89 Harald Fricke