Muß Greenpeace vor Gericht?

Die Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg läßt prüfen, ob Greenpeace sich 1991 wegen des versuchten Schmuggels eines Atomsprengkopfs strafbar gemacht hat  ■ Von Patrik Schwarz

Berlin (taz) – Greenpeace International muß womöglich mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, weil die Umweltschutzorganisation im Jahr 1991 vergeblich versuchte, einen Atomsprengkopf aus einem sowjetischen Raketenstützpunkt in Sachsen-Anhalt zu schmuggeln (taz vom 27.7.98). Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg wird am Montag die Staatsanwaltschaft Potsdam beauftragen zu prüfen, ob sich Greenpeace-Mitarbeiter der „Verabredung zu einem Verbrechen“ schuldig gemacht haben. Dies erklärte Rolf Grünebaum von der Generalstaatsanwaltschaft am Freitag gegenüber der taz.

Bei dem möglichen Verbrechen könnte es sich nach Grünebaums Angaben um einen Verstoß gegen § 19 Kriegswaffenkontrollgesetz handeln. Dort heißt es, mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren wird unter anderem bestraft, wer Atomwaffen „von einem anderen erwirbt oder [...] durch das Bundesgebiet durchführt“. Mika Railo von Greenpeace International hatte am vergangenen Sonntag einen Bericht der britischen Tageszeitung Independent bestätigt, wonach 1991 ein damaliger Greenpeace-Mitarbeiter mit Hilfe eines Sowjetoffiziers vom Stützpunkt in Altengrabow den Sprengkopf nach Berlin schmuggeln sollte. Damit wollte die Umweltschutzorganisation auf die Gefahren des Schwarzhandels mit Nuklearwaffen aufmerksam machen. Der Offizier sollte für seine Beteiligung 250.000 Dollar erhalten, verschwand allerdings spurlos, ehe die Aktion durchgeführt werden konnte. Die Justiz in Brandenburg begründet ihre Zuständigkeit mit Hinweis auf ein Treffen zwischen dem Greenpeace-Mitarbeiter und dem Offizier im Park von Schloß Sanssouci in der brandenburgischen Landeshauptstadt.

Unterdessen gibt es unterschiedliche Stellungnahmen darüber, wie weit die Vorbereitung des Atomschmuggels bis zu dem Zeitpunkt gediehen war, als der sowjetische Kontaktmann verschwand. Der Sprecher von Greenpeace Deutschland, Norbert Schnorbach, sagte der taz: „Der Eindruck, als hätte die Übergabe unmittelbar bevorgestanden, ist eine Übertreibung.“ Man habe sich lediglich im Stadium von Planspielen und Brainstormings darüber befunden, was im Falle einer Übergabe des Sprengkopfs passieren sollte. Demgegenüber erklärte der frühere Vorgesetzte des Greenpeace-Kontaktmanns vor Ort, Gerd Leipold, der taz: „Wir dachten wir wären relativ nahe dran – aber zum Schluß hat es eben nicht geklappt.“ Pressesprecher Schnorbach versicherte, Greenpeace hätte im Ernstfall „mit der vollen Palette von Sicherheitsvorkehrungen“ operiert. „Natürlich hätte Greenpeace die zuständigen Behörden informiert“, so Schnorbach. Gerd Leipold, der die Umweltschutzorganisation inzwischen verlassen hat, räumte ein, die Aktion sei „sicher nicht ungefährlich gewesen. [Aber] unsere Abwägung war, daß das gerechtfertigt ist.“ Nach Angaben von Schnorbach hatte Greenpeace Deutschland nur „ganz am Rande“ mit der Aktion zu tun.