Nicht alles glänzt, was Gold ist

■ Studie im Auftrag der Deutschen Bank: Die Manager um Hermann Josef Abs verdienten am Gold aus den NS-Todeslagern und wußten ganz offensichtlich um seine Herkunft. Ein Teil des Nazi-Golds wurde erst 1995 verkauft

Berlin (taz) – Jetzt endlich fällt Licht auf einen Geschäftsbereich der Deutschen Bank, der jahrzehntelang sorgfältig abgedunkelt worden war: den Handel des Geldinstituts mit Goldbarren, die während des 2. Weltkriegs von der Reichsbank gekauft worden waren. Also auch mit Gold, das jüdischen Menschen vor oder nach ihrer Ermordung geraubt wurde. Offensichtlich haben die Manager der Bank um den langjährigen Vorständler Hermann Josef Abs gewußt, woher dieses Gold kam. Zu diesem Ergebnis kommt eine fünfköpfige Historikerkommission, die ihren ersten Bericht gestern vorstellte.

Es war die Deutsche Bank selbst, die unter dem Eindruck der Auseinandersetzungen um die Goldgeschäfte der Schweizer Banken mit dem Nazi-Regime und angesichts drohender Sammelklagen von Nachkommen der Opfer den Forschungsauftrag im Dezember 1997 erteilt hatte.

In ihrem Bericht fragen die Wissenschaftler, wie und in welchem Umfang der Goldhandel funktionierte, wie hoch der Anteil an Gold aus ursprünglich jüdischem Eigentum war und wieviel die Banker vom Ursprung dieses Goldes wußten. Die Antwort ist für die Banker nicht eben schmeichelhaft.

Die Historiker kommen aufgrund der engen Zusammenarbeit der Banker mit führenden Finanzverantwortlichen der SS und mit den Reichsbank-Oberen zu dem Schluß, daß Abs und seine Leute einfach von der Existenz des Raubgolds gewußt haben müssen. Sie zeichnen Abs als ehrgeizigen Fachmann und Shooting-Star am nazideutschen Finanzhimmel, als Opportunisten und Wegseher, der sich an die Normalitätsfassade des internationalen Finanzgebarens und die Ruinen rechtsstaatlichen Verfahrens in Bankangelegenheiten geklammert habe. Ein wichtiges Indiz ist für die Autoren, daß Abs nach 1945 in die Schweiz verbrachte Goldbarren jahrzehntelang im Depot liegen ließ, offensichtlich, um schlafende Hunde nicht zu wecken. Erst 1995, nach dem Tod von Abs, wurde das Gold verkauft.

Die Studie zeichnet den Weg des Goldhandels zwischen 1942 und 1944 von Berlin über Wien bis zur Filiale der Deutschen Bank im neutralen Istanbul nach, wo das Gold schließlich auf dem freien Markt verkauft wurde. Die Bank strich die Differenz zwischen dem Festpreis, zu dem sie das Gold eingekauft hatte, und dem Verkaufspreis ein. Die Reichsbank kam dafür im Gegenzug zu den Devisen, ohne die Nazi- Deutschland den Krieg nicht hätte fortführen können. Gemessen an den Goldkäufen Schweizer Banken blieben die Goldbrocken, die für die Deutsche Bank abfielen, eher klein. Dennoch investierte die Direktion bis zum bitteren Ende beträchtliche Energien in dieses Geschäft.

Dem Bericht ist ein Dokumentenanhang beigefügt, der aus den Akten der Istanbuler Filiale, aus Reichsbankakten und verstreuten Quellen zusammengefügt ist. Aus den Buchungsvermerken ergibt sich, daß die Deutsche Bank in großem Umfang Goldbarren aus ursprünglich jüdischem Vermögen erworben hat. Dies betrifft einmal die Lieferungen von „Melmer“-Gold (so benannt nach dem SS- Mann Melmer), aus dessen Bestand die Bank insgesamt 29 Prozent erhielt, zum anderen auch Goldbarren, die unter dem Herkunftstitel „preussische Müntze“ firmierten, eventuell auch Gold, das unter „Verschiedene Barren“ eingetragen war.

Hoch erfreut über den Forschungsbericht zeigte sich der Anwalt Witti, der die Ansprüche von Holocaust-Überlebenden gegen die Deutsche Bank vertritt. Er sieht in der Arbeit der Historiker so etwas wie ein Teilgeständnis der Bank. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, forderte die deutschen Banken gestern auf, sich zu ihrer Verantwortung während der Nazi-Zeit zu bekennen. Christian Semler