Wie man Luft trinkbar macht ...

■ ... und einen Schweißroboter in ein Spaßmachgerät verwandelt: In einem Bremer Pilotprojekt können fünf DesignerInnen jetzt sechs Wochen lang harte Nüsse knacken

Es gibt noch Regenmacher. Und einer von ihnen ist Bremer. Er heißt Michael Rüdebusch und arbeitet am Institut für Umweltverfahrenstechnik an der Universität Bremen. Rüdebusch kann berichten über Trinkwassergewinnung aus der Luft. Er kann schildern, wie die Feuchte der Luft durch einen Festkörper aufgefangen und bei Bedarf mittels Druckluft oder erwärmter Luft als Trinkwassser abgegeben werden kann. Und er kann auch laut träumen, wie die Anlage in regen-, fluß- und quellwasserarmen Weltregionen eingesetzt werden könnte. Doch leider ist der Schritt dahin noch groß, denn die Trinkwassergewinnungsanlage besteht zur Zeit noch aus einem Kühlschrank, zahllosen Röhren und weiterem Material. Kurzum: Rüdebusch hat ein Designproblem. Aber schon tritt Stephan Reeh auf, um es zu lösen.

Stephan Reeh ist Student an der Gesamthochschule Kassel und einer von fünf angehenden Kommunikations- und IndustriedesignerInnen, die seit einigen Tagen in den Labyrinthen Bremer Forschungsinstitute Praktika absolvieren. „Ich werde einen Versuchscontainer entwickeln“, sagt Reeh. Und mit dessen Hilfe soll die Anlage eines Tages in regen-, quell- und sonstwie wasserarmen Gegenden der Welt vorgeführt werden können. Bis Ende September hat er Zeit dafür. Denn nur so lange währen die Praktika, deren Kosten in Höhe von 70.000 Mark zur Hälfte vom Bremer Design-Zentrum und dem Bundesforschungsministerium bezahlt werden und die bundesweit neu und einmalig sein sollen.

Wenn einer sagt, „Praktika gibt's doch überall“, dann antwortet Klaus Berthold, Leiter des Bremer Design-Zentrums: „Neuartig daran ist, daß Designer in Forschungseinrichtungen Praktika absolvieren.“ Seit Jahr und Tag versucht er, den IngenieurInnen und GeschäftsleiterInnen in Industrie, Handwerk etc. in den Kopf zu hämmern, wie wichtig Design ist. Vor allem mit den Stipendien im Bremerhavener Design-Labor im alten Stadtbad, in deren Verlauf unter anderem Fußgängerbrücken für Vegesack oder Bordverpflegungssysteme für den neuen Großairbus A3XX entwickelt wurden, kam dabei auch schon was heraus. Doch eine direkte Verknüpfung von Forschung und De-sign fehlte bislang, sagt neben Bert-hold auch der Bremer CDU-Landesvorsitzende und Bonner Staatssekretär Bernd Neumann. „Forscher“, so Neumann, „verstehen Design als etwas, was nach Abschluß der Forschung kommt. Doch das soll nun anders werden.“

Aber allein mit den neuen Praktika hat sich so viel noch nicht geändert. Denn immerhin existierte die Trinkwassergewinnungsanlage des Instituts für Umweltverfahrenstechnik schon, bevor Stephan Reeh nach Bremen kam. Auch die Rapid Prototyping-Anlage, mit der sich preiswert und schnell metallische und keramische Prototypen herstellen lassen, wurde im Fraunhofer-Institut für Angewandte Materialforschung (IFAM) schon erfunden, bevor der Jungdesigner Axel Ricker sein Praktikum begann. „Aber bisher wurde das Verfahren nur von anderen Instituten gekauft“, sagt er. Ricker will es durch Design richtig marktfähig machen. Ähnliche Pläne haben Sabine Witte mit der CD-Rom für ein mammographisches Diagnosesystem der MeVis GmbH sowie Michael Tewes mit einem Softwaresystem für die Bewertung (unter anderem) von Bebauungsplänen des Technologie Zentrums Informatik.

Immerhin acht Institute wollten sich spontan am Projekt beteiligen, weiß Bert-hold. Er räumt zugleich ein, daß die Ausschreibefrist sehr kurz war. Deshalb haben sich nur zwanzig DesignerInnen auf die fünf Praktikumsstellen beworben. Berthold hofft trotzdem, daß das Pilotprojekt Schule macht. Vielleicht schreiben die StudentInnen, von denen keiner aus Bremen kommt, auch Diplomarbeiten über ihr Praktikumsthema und machen sich eines Tages in Bremen selbständig. Klar ist, daß die Ergebnisse in einem Buch veröffentlicht werden sollen.

Darunter auch der Beitrag des Pforzheimers André Ehrlich. Er entwirft Design für den mobilen Schweißroboter für Fensterrahmen aus dem Bremer Institut für Betriebstechnik und angewandte Arbeitswissenschaft (BIBA). Ehrlich will in den nächsten Wochen durch Gestaltung den „Wirrwarr an High-Tech reduzieren“ und dazu beitragen, daß „die Endbenutzer, also die Arbeiter auf der Baustelle, Freude daran haben, acht Stunden täglich an diesem Gerät zu arbeiten“.

Bevor jetzt jemand mit Otto Waalkes kommt und dessen alten Gag erzählt von den menschlicheren Arbeitsbedingungen bei VW dank Einführung der ... bunten Schraubenzieher, zitieren wir lieber noch den renommierten Industriedesigner, Juror und stellvertretenden Vorsitzenden des Bremerhavener Design-Labors, Fritz Frenkler: „Das Bremer Designzentrum ist eines der führenden in der Welt. In Bremen passiert das, was an anderen Design-Zentren passieren sollte.“ So sei es. ck