Das Portrait
: Der Mann, der ein Bernsteinbild ersaß

■ Hans Achtermann

Die Todesanzeige war klein und stand ganz unten auf der Seite mit den Familiennachrichten in einer Bremer Tageszeitung. „Durch einen sanften Tod erlöst wurde Hans Henning Achtermann – 22. Juli 1998“. Der Mann, über dessen Sofa jahrelang ein Steinmosaik aus dem Bernsteinzimmer hing, ist tot. Bis zuletzt hatte der 63jährige Rentner aus Bremen um die Rückgabe des Steinmosaiks aus dem Bernsteinzimmer gekämpft. Das Mosaik, dessen Echtheit von Gutachtern inzwischen zweifelsfrei bestätigt worden ist, war im Mai 1997 bei einem Bremer Notar beschlagnahmt worden. Angeblich hatte er das Mosaik 1978 nach dem Tod seines Vaters auf dessen Dachboden gefunden. Daß es sich um ein Mosaik aus dem Bernsteinzimmer gehandelte habe, hätte er nicht gewußt, beteuerte Achtermann stets. „Gutgläubig“ habe er sich das Bild ins Wohnzimmer übers Sofa gehängt und sich das Mosaik auf diese Weise nach deutscher Rechtsprechung „ersessen“. Die Frist für „ersessenes Eigentum“ beträgt zehn Jahre. Erst 1992 will Achtermann durch Zufall erfahren haben, daß das Mosaik aus dem Bernsteinzimmer stammte. Er beauftragte den Bremer Notar Manhard Kaiser, das Bild für 2,5 Millionen Dollar zu verkaufen. Eine Bremer Geschäftsfrau vermittelte den Kontakt zu vermeintlichen Käufern – getarnten Kripobeamten, die dem Bernsteinzimmer auf der Spur waren. Die Staatsanwalt erhob kurz nach der Beschlagnahme Anklage gegen das Trio. Das Bild sei in jedem Fall rechtswidrig erworben worden, argumentierten die Ermittler.

Angeblich soll Achtermanns Vater zu jenen Soldaten gehört haben, die das Bernsteinzimmer 1941 demontierten und ins Königsberger Schloß schafften. Zudem hatte die geschiedene Frau Achtermanns ihren Ex- Mann schwer belastet. Ihr Mann habe gewußt, welchen Kunstschatz in seinem Wohnzimmer hing und die Zehn-Jahres-Frist für „ersessenes Eigentum“ abgewartet, um das Bild verkaufen zu können. Auch der Notar und die Geschäftsfrau sollen die Geschichte des Bildes gekannt haben. Voraussichtlich im Herbst soll ihnen wegen versuchten Maklerbetrugs der Prozeß gemacht werden. „Die Beweislage hat sich durch den Tod Achtermanns nicht verschlechtert“, glaubt Jan Frischmuth, Chef der Bremer Staatsanwaltschaft. Kerstin Schneider