„Polizisten lassen sich fürs Wegsehen bezahlen“

■ Nataja Burgiba, eine Immigrantin, die im Verborgenen illegal in Italien lebende Frauen betreut, meint, daß viele der von Schlepperbanden eingeschleusten Frauen in der Prostitution landen

taz: Auf den Schiffen, die bislang aus Nordafrika ankamen, sah man im Gegensatz etwa zu jenen aus Albanien lange Zeit nur wenig Frauen. Trotzdem werden in Italien immer mehr illegal eingereiste Frauen aufgegriffen. Sind Frauen geschickter bei der „Einreise“?

Nataja Burgiba: Nein, nur besser geschützt. Viele Schlepper arbeiten mit Zuhälterringen zusammen, und die wollen ihre „Ware“ ohne Verluste. Also werden Frauen oft an besonders „sicheren“ Stränden abgesetzt. Wir haben Hinweise, daß so mancher Grenzpolizist, wenn ein Schlauchboot ausschließlich mit Frauen kommt, gleich mal „in natura“ fürs Wegsehen bezahlt wird.

In letzter Zeit sieht man aber nun doch mehr Frauen auch auf jenen Kähnen, die vor Sizilien auftauchen.

Ja, sowohl die Schlepper als auch die Regierung haben erkannt, daß die Öffentlichkeit in Italien wenig Mitleid mit Männern hat, die mit Gewalt zurückgeschickt werden, bei Frauen aber protestiert.

Wie viele Frauen schaffen es denn, sich dann auf Dauer in Italien einzurichten?

Etwa 10 bis 15 Prozent, von denen etwa die Hälfte sogenannte „saubere“ Jobs erhält, die andere Hälfte allerdings im illegalen Milieu landet, vor allem in der Prostitution. Derzeit gibt es etwa 30.000 illegale Prostutierte aus Nicht-EU- Ländern in Italien, fast die Hälfte aller in diesem Beruf arbeitenden Frauen.

Aus welchen Schichten kommen in der Regel die Frauen, die aus den Ländern des Maghreb einwandern?

Durchaus nicht, wie man meinen könnte, nur aus Elendsschichten. Wir haben sogar Fälle, wo gläubige Musliminnen oder Hochschullehrerinnen aus Algerien, die dort Angst entweder vor den Fundamentalisten oder vor der Polizei haben, lieber in Europa als Prostituierte arbeiten, als weiterhin täglich die verzweifelte Lage zu Hause zu erdulden.