Schreien für die Freiheit

Punkrock versus Techno: Beam Me Up, Scotty! und Tempo begehren gegen die Wirklichkeit auf. Mit unterschiedlichem Erfolg  ■ Von Christian Buß

Natürlich jagen wir lieber mit einem Fahrradkurier durchs schicke Wien, statt uns mit einem Haufen Punkrocker durch Krefelds verwaiste Fußgängerpassage zu schleppen. Zufällig starten zeitgleich zwei Produktionen in den Hamburger Kinos, die im Großraum Pop angesiedelt sind – da kommt man um den Vergleich nicht herum. Schon weil die beiden Filme geradezu exemplarisch für das Lebensgefühl unterschiedlicher Generationen stehen. Wobei sich hier schon mal die Achtziger wie die Neunziger anfühlen – und die Achtziger wie die Siebziger. Steve Lems Beam Me Up, Scotty! ist ein Roadmovie mit Rock'n'Roll, Stefan Ruzowitzkys Tempo ein Rave-Reißer. Hier wird gut abgehangener Punkrock gespielt, dort erklingt extrem avancierte elektronische Musik. Hier fließt Bier, dort werden Sticks und Mushrooms gereicht. Und nun raten Sie mal, welche Drogen mehr Freude bereiten?

Bleiben wir sachlich: Eine Geschichte wie die der Punkrockband Beam Me Up, Scotty! im gleichnamigen Film, die gänzlich glücklos, aber nicht gänzlich unglücklich gegen den großen Frust antourt, ist natürlich zeitlos. Seit die Modern Lovers oder The Stooges Anfang der 70er gezeigt haben, wie man die modern world und alle ihre shopping centers rockt, funktioniert dieses Prinzip – die Depression ist Weg zur musikalischen Erfüllung. Eine der stärkeren Sequenzen der Loser-Hymne ist folgende: Die gar nicht mehr so jungen Jungs lümmeln sich nachts mal wieder vor einem der heimischen Springbrunnen und lamentieren über die Krefelder Clubszene. Die gibt es natürlich gar nicht, wie eine Stimme aus dem Off verkündet: „Die Leute hier machen lieber ein Bistro auf und stellen da ein Piano rein.“

Deshalb muß die Band selbst ran. Und so reihen sich Szenen aus dem Übungsraum an Szenen aus improvisierten Konzerten. Zum Beispiel in stillgelegten Bahnhallen, Berliner Hinterhöfen und auch in der Hamburger Fabrik. Manchmal hätte man der Band allerdings mehr Aggressionen gegönnt. Larmoyanz lähmt, und ein bißchen zu sehr bejammern Beam Me Up, Scotty die Zustände, blöde Polizisten und so. So geht das immer wieder beschworene Bild des Außerirdischen nicht ganz auf. Sänger Brillo blinzelt unter einem angehobenen Gullydeckel aus der Kanalisation hervor – und sieht aus wie ein Alien, der aus dem Ufo schaut. „There is no intelligent life on earth“, lautet denn auch die Erkenntnis von Steve Lems Loser-Film. Und tschüß im Gully.

Da wirkt die Phantasie, mit der Stefan Ruzowitzky seinen Film in Fahrt bringt, befreiender: Jojo (Xaver Hutter) ist von zu Hause ausgerissen, düst als Fahrradkurier durch Wien . Der Typ ist noch Jungfrau, gibt sich beim Hyperventilieren auf dem Bike aber allerlei Hirngespinsten hin. Zum exquisiten Techno von Patrick Pulsinger und Co. verfährt er sich immer in ein Konstrukt aus Spinnerei und Wirklichkeit. Bald wird er von Gangstern und Nazis gejagt.

Die Logik, mit der Regie-Debütant Stefan Ruzowitzky sein Rave-Movie erzählt, ist die des Traums, der Rhythmus der des Stroboskops. Sprünge in Handlung und Realitätsebenen sind da nur schlüssig. Und so schläft Jojo irgendwann wirklich mit der Angebeteten – und ballert ganz unwirklich eine Bande Gangster über den Haufen. Tempo ist ein schöner Aufschrei gegen die Vernunft – aber im Gegensatz zu den Helden aus Beam Me Up, Scotty ist dieses Aufbegehren für Jojo recht erfolgreich. Zum Schluß wird er zwar von der Polizei zu seinen Eltern in die Provinz zurückverfrachtet, aber: „Mein Gott, ich habe mein erstes Geld verdient, meine erste eigene Wohnung gehabt und zum ersten mal mit einer Frau geschlafen. Das muß man ja auch sehen!“

Beam Me Up, Scotty!: Do, 6. bis Mi, 12. August, 22.30 Uhr, 3001. Tempo: Do, 6. August, 21.15 Uhr; Sa, 8. August, 21.15 Uhr; So, 9. August, 19 Uhr; Di, 11. August, 17 Uhr; Mi, 12. August, 21.15 Uhr; Fr, 14. August, 19 Uhr; Mo, 17. August, 17 Uhr; Mi, 19. August, 21.15 Uhr, Metropolis