Liebliches Radio-Duschen

Serientäter ohne Unrechtsbewußtsein: Von den Tücken des Schwarzhörens und -sehens erzählt  ■ Elke Spanner

Ihr Duschradio sei ein absolutes Schnäppchen, bellt Jana S. trotzig ins Telefon. Auf dem Flohmarkt für nur eine Mark geschossen, versüße es ihr allmorgendlich das Aufstehen, schwärmt sie dann in immer noch schläfriger Tonlage. Denn nichts sei schöner, als die lieblichen Träume nach dem Aufwachen unter wässrigen 38 Grad und Klassik-Berieselung in den Alltag zu retten. Von ihrer Leidenschaft kann sie weder die regelmäßige Verspätung bei der Arbeit noch der Hinweis abbringen, daß ihr Morgenritual nicht nur der Start in einen schönen Tag, sondern auch in eine kriminelle Karriere ist. Denn Gebühren zahlt Jana S. fürs Radiohören selbstredend nicht.

Jana S. ist kein Einzelfall. Schwarzhören und -sehen ist ein Massendelikt. Und, was keiner ahnt: Die TäterInnen leben unentdeckt unter uns, inmitten der Gesellschaft. Erschütternd ist es um ihr Unrechtsbewußtsein bestellt. Uwe G. hatte zwar immerhin ein schlechtes Gewissen. Daran, jahrelang Fernsehsendungen zu schnorren, hinderte ihn das allerdings nicht.

Schuld an dem Massenvergehen ist die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) ganz allein. Tückisch am Schwarzsehen und -hören ist nämlich, daß man zur SerientäterIn wird, ohne immer wieder neue Taten zu begehen. Die GEZ kassiert nicht für das Fernsehgucken und Radiohören ab, sondern allein dafür, daß man sich das Elektrogerät hält. Einmal den Stecker in die Dose gestöpselt, ist das Unrecht bereits vollendet, und es würde eines besonderen Engagements bedürfen, es wieder zu beenden. Einfacher ist es da, allabendlich unbeschwert auf den Startknopf zu drücken.

Das findet auch Hannah P.. „Ich könnte mich als Studentin von den Gebühren befreien lassen“, weiß sie wohl, winkt aber ab. „Dafür bin ich viel zu faul.“ Auch Claudia M. entschied sich bei der Frage, ob sie nichts tun und nicht zahlen oder zum Amt rennen und ein Loch in ihr Portemonnaie reißen soll, für die handlichere Alternative. Wohl habe sie mal überlegt, aus der Kirche auszutreten und das Geld statt beim Papst beim NDR anzulegen. Aus Gründen, die sie selbst nicht mehr erinnert, sei es dazu allerdings nie gekommen.

Just jetzt habe ihre WG jedoch beschlossen, „endlich erwachsen“ zu werden. „Im Zuge unserer Technisierung“ sei ein ISDN-Anschluß geplant. Und bei dessen Installierung, so der einstimmige WG-Beschluß, wollen die vier MitbewohnerInnen generös immerhin mal einen Fernseher anmelden. Einen von vieren.

Doch für die GEZ ist Schwarzhören und -sehen kein Kavaliersdelikt. Das mußte Tobias S. erfahren. Angelockt von der großzügigen Werbung des NDR, daß dieser kostenfrei Infomaterial über die geplante Programmumstellung versende, war er prompt in die Falle getappt. Er bestellte das Programm – das ihm dann höchstpersönlich überreicht wurde. Vom GEZ-Boten. An der Wohnungstür. Zusammen mit dem Antrag, ab sofort monatlich Geld für Funk und Fernsehen zu zahlen.

Das mit dem „Ab-sofort“ hat bei Jörg F. leider nicht mehr geklappt. Der war Opfer eines benachbarten Denunzianten geworden. Leugnen war zwecklos. Als der GEZ-Mann kam, lief im Hintergrund gerade ein lustiges Morgenmagazin. 1100 Mark kostete ihn die Rückzahlung für die abgelaufenen fünf Jahre, und das angedrohte Bußgeld in Höhe von weiteren 1000 Mark erließ die GEZ nur, weil bei Jörg F. nach der Gebührenrechnung ohnehin nichts mehr zu holen gewesen wäre.