Portrait
: Trojanisches Pferd beißt Bundeswehr

■ Jörg Eichler

Jörg Eichler ist nicht Jörg Eichler. Das hat die Bundeswehr gestern herausgefunden. Ziemlich peinlich: Eichler ist nämlich ein sehr gesuchter Mann. Der 23jährige Totalverweigerer war – nachdem ihm am 1. Juli der Einberufungsbefehl zugestellt worden war – untergetaucht. „Ständig auf der Flucht vor Feldjägern zu sein ist nicht gerade angenehm“, merkte Eichler schon nach dem ersten Monat. Mürbe gemacht, stellte er sich letztes Wochenende. Das glaubte zumindest die Bundeswehr.

Am Montag wurde Eichler zunächst vorläufig festgenommen. Dienstag folgten Verhöre in der Oberpfalz- Kaserne in Pfreimd. Gestern sollte der Jurastudent aus Dresden in Disziplinararrest genommen werden. Nur: Der, welcher sich da gestellt hatte, war gar nicht Jörg Eichler, sondern der Dresdner Michael Fücker. „Offenbar sind die Verhöre so schlampig durchgeführt worden, daß der falsche Eichler nicht aufflog“, kommentierte der wahre Eichler.

Die Bundeswehr bezog Verteidigungsstellung: „Wir haben ein ziviles Personenidentifikationsverfahren eingeleitet“, so Oberstleutnant Peter Wozniak vom zuständigen Wehrbereichskommando. Raus kam der „Schwindel“ erst gestern: Etwa 20 Demonstranten protestierten vor dem Tor der niederbayerischen Kaserne gegen die Arrestierung. Einer von ihnen: der wahre Eichler. Der beendete die Verwechslungsposse und stellte sich. Nützte aber nichts: Das Heer hat sein Eichler-Soll erfüllt.

Ausgerechnet die Polizei war es, die im strategisch komplizierten Eichler-Konflikt vermittelte: Eichler „falsch“ traf sich mit Eichler „wahr“ und beide mit „ihrem“ Bataillonskommandeur. Das Sechs-Augen-Gespräch vor dem Kasernentor brachte schließlich den Durchbruch zum Eichler- Frieden von Pfreimd: Alle beteiligten Konfliktparteien gingen nach Hause. Beobachter sagen jedoch voraus, daß der Konflikt demnächst wieder aufflammen werde: Der Bataillonskommandeur hatte gedroht, daß Fahnenflucht verfolgt werde.

Mit der Aktion will die Totalverweigerer-Initiative Dresden darauf aufmerksam machen, daß Disziplinarmaßnahmen beim Bund keine Strafen seien, sondern Erziehungsmaßnahmen. Die aber wirken nicht bei Totalverweigerern: Militärknast wird ihnen keine positive Einstellung zum Wehrdienst vermitteln. Nick Reimer