Das MAI kommt durch die Hintertür zurück

EU und USA einigten sich auf die Grundbedingungen für das umstrittene multilaterale Investitionsabkommen. Damit könnten die Stolpersteine, die das MAI zunächst scheitern ließen, beiseite geräumt werden  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Das im April dieses Jahres mit einem Freudenfest in Paris vorerst zu Grabe getragene multilaterale Investitionsabkommen MAI ist auf Zehenspitzen zurückgekommen. Und das bereits wenige Wochen nachdem der federführende Industrieländerclub OECD beschlossen hatte, das umstrittene Projekt für sechs Monate auf Eis zu legen. Das Abkommen soll internationalen Investoren Schutz vor Enteignungen und Diskriminierung gegenüber einheimischen Firmen garantieren.

Bereits am 18. Mai unterzeichneten EU-Kommissionspräsident Jacques Santer, der damalige EU- Ratsvorsitzende Tony Blair und US-Präsident Bill Clinton auf dem EU-USA-Gipfel in London ein Dokument, das die wesentlichen Bedingungen für den weltweiten Schutz von Privateigentum und Investitionsfreiheiten festlegt. Unter anderem enthalten ihre transatlantischen Erklärungen die Absichtserklärung, „illegale Maßnahmen“ wie Enteignungen von ausländischem Privateigentum weltweit mit Sanktionen zu belegen.

Kurioserweise ist dieses Dokument erst jetzt in die Diskussion gekommen, obwohl es schon in London verteilt worden war. Für seine Veröffentlichung sorgten unter anderem die italienische Europaabgeordnete Luciana Castellina und der französische Parlamentarier Jean-Claude Lefort. Castellina, Präsidentin der parlamentarischen Außenhandelskommission, protestierte bei der EU-Kommission dagegen.

Lefort, ein Abgeordneter der KPF, fragte schriftlich bei dem französischen Premierminister und dem Präsidenten an, was es mit der Londoner Absprache auf sich habe. Schließlich hatte die französische Regierung im April das MAI scharf kritisiert, vor allem weil darin der Schutz französischer Kultur vor der Invasion aus Hollywood nicht ausreichend berücksichtigt sei.

Sowohl Lionel Jospin als auch Jacques Chirac bezeichneten das in London unterzeichnete Dokument als „nicht verbindlich“ für die EU-Mitgliedsstaaten, die es „nicht unterzeichnet haben“. „US-amerikanische Gesetze können keinen Einfluß auf Unternehmen in Drittstaaten haben“, fügte Chirac in Anspielung auf die Helms-Burton- und D'Amato-Gesetze hinzu, die weltweit alle GeschäftspartnerInnen von Kuba, Libyen und dem Iran mit Sanktionen bedrohen. Diese beiden US-Gesetze gehörten zu den Knackpunkten, die das MAI vorerst zum Scheitern gebracht hatten.

Das Dokument wird juristisch erst dann verbindlich, wenn die EU-Mitgliedsstaaten es annehmen. Das weiß auch der Pariser Anwalt und Sprecher des französischen „Globalisierungsobservatoriums“, Nuri Albala. Doch er erinnert daran, daß die EU- Kommission mit ihren Initiativen oft die künftige Richtung der Entscheidungen in den Mitgliedsländern weist. Am Ende, meint er, bleibt den Staaten oft keine andere Möglichkeit, als zu unterzeichnen. Für Frankreich, das den ersten MAI-Entwurf unter anderem mit Hinweis auf den Schutz seiner „kulturellen Ausnahme“ abgelehnt hatte, bestehe jetzt das „Risiko, sich zu isolieren“.

Nach Ansicht der französischen MAI-GegnerInnen ist Transparenz die einzige Möglichkeit, die Entwicklung der Investorencharta in eine andere Richtung zu lenken. Oft zitieren sie die US-Amerikanischen Bürgerrechtlerin Lori Wallach mit ihrem Satz: „Das MAI ist wie Dracula. Beide lösen sich auf, sobald sie ans Licht kommen.“

Gemeinsam mit US-amerikanischen und kanadischen NGOs ist das „Globalisierungsobservatorium“ dabei, ein alternatives „Multilaterales Investitionsabkommen“ zu schreiben. Begründung: „Wir wollen verhindern, daß die Multis das Gesetz machen. Statt grenzenloser Investitionsfreiheit verlangen wir eine gerechte Verteilung von Reichtum. Wir verlangen den Respekt vor der Umwelt und vor den sozialen und ökonomischen Bedingungen.“