Becksteins Forderung nach Quoten

Berlin (taz) – „Sagen Sie wieder, das Boot ist voll?“ Auf diese Frage der Moderatorin Gabi Bauer wollte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) in den ARD-„Tagesthemen“ am Dienstag abend keine Antwort geben. Statt dessen machte er der Interviewerin zum dritten Mal hintereinander seine Forderung klar: „Wir müssen eine europäische Lösung finden.“ Die Lösung soll eine Quotenregelung für die Verteilung von Flüchtlingen in den Ländern der Europäischen Union (EU) sein. Vorbild ist die bundesdeutsche Praxis. In Deutschland werden die Asylbewerber nach einem Schlüssel auf die einzelnen Bundesländer verteilt. Hauptkriterium ist die Einwohnerzahl der Länder. Anlaß für Becksteins Forderung sind die Kämpfe im Kosovo und seine Befürchtung, größere Flüchtlingsströme könnten nach Deutschland kommen. „Wir können nicht ein zweites Mal 70 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen“, sagte Beckstein in Anspielung auf die Aufnahme bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge nach 1990. Gemessen in absoluten Zahlen hat Deutschland tatsächlich mehr bosnische Flüchtlinge aufgenommen als alle anderen Länder der EU: etwa 350.000 Menschen. Großbritannien hingegen hat nur etwa 13.000 Bosnier aufgenommen, Frankreich 16.000 und Spanien sogar nur 2.000. Ein anderes Bild ergibt sich aber, wenn man die Zahl der Flüchtlinge auf die Einwohnerzahl der Aufnahmeländer hochrechnet. Dabei belegt Deutschland nach Statistiken des „Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen“ (UNHCR) bei der Aufnahme bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge nur einen Platz im Mittelfeld: Auf 1.000 Einwohner in Deutschland kommen vier bosnische Flüchtlinge, das selbe Verhältnis weisen Dänemark und die Schweiz auf. Österreich dagegen hat pro 1.000 Einwohner zehn Menschen aus Bosnien aufgenommen, Schweden immerhin noch sieben. Auch bei der Aufnahme von Asylbewerbern belegt Deutschland nur den zweiten Platz: Auf 10.000 Einwohner kommen dreizehn Asylbewerber, in Belgien zwölf, in Schweden elf. Spitzenreiter in der UNHCR-Statistik sind die Niederlande: Auf 10.000 Einwohner kommen hier 22 Asylbewerber. Volker Probst