Washington kritisiert Bonn in der Flüchtlingsfrage

■ Abschiebungen nach Bosnien zerstörten den Friedensprozeß. Bundesregierung wehrt sich

Bonn (AP/dpa) – Deutschland und die USA streiten weiterhin über die Bonner Flüchtlingspolitik. Beim Besuch von Gerhard Schröder (SPD) hatte die US-Regierung die zwangsweise Rückführung bosnischer Kriegsflüchtlinge kritisiert. Gerhard Schröder hatte daraufhin die Regierung Kohl in Schutz genommen und erklärt, der Koalition sei nicht vorzuwerfen, unsensibel mit den Flüchtlingen umzugehen. Die Nachrichtenagentur dpa zitiert einen hohen amerikanischen Beamten, mit den Worten, die „erzwungene“ Rücksendung der Flüchtlinge drohe den Friedensprozeß im früheren Jugoslawien zu zerstören. Die USA wollten in Bonn auf höchster Ebene vorstellig werden.

Diese Androhung mochte Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) gestern nicht hinnehmen. Angesichts von 1.200 abgeschobenen Flüchtlingen seit Jahresbeginn könne nicht von einer Destabilisierung der Lage in Bosnien gesprochen werden. Der überwiegende Teil der Flüchtlinge sei freiwillig in die Heimat zurückgekehrt, sagte Kanther. Er betonte, die insgesamt 345.000 bosnischen Flüchtlinge, die in Deutschland Zuflucht fanden, seien von vornherein Gäste auf Zeit gewesen. Bund und Länder förderten nach Kriegsende ihre Heimkehr. Seit Anfang dieses Jahres seien insgesamt 75.000 Bosnier zurückgekehrt; rund 140.000 hielten sich noch in Deutschland auf. Unter den 1.200 Abgeschobenen sei „eine große Zahl von Straftätern“ gewesen. Auch der Beauftragte der Bundesregierung für die Rückführung bosnischer Flüchtlinge, Dietmar Schlee, wies darauf hin, daß nur rund zwei Prozent der Flüchtlinge abgeschoben würden. Er forderte eine europäische Quotenregelung für Flüchtlinge. „Es geht auf Dauer nicht an, daß wir 350.000 Flüchtlinge aufnehmen, andere Länder 30.000, und die geben uns dann gute Ratschläge, wie wir das Problem lösen sollen.“

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